Eigentlich ist es egal, den wievielten Frühling diese Musiker mittlerweile schon erleben, denn fest steht: EUROPE erfahren momenten ihren ungeahnten Karrierehöhepunkt wenn nicht in kommerzieller Hinsicht (Der letzte Countdown war eben nicht zu überbieten, die Band allerdings auch nie allein darauf zu reduzieren), so doch in Sachen künstlerischer Gehalt und vor allem Kraft, letzteres in mehrfacher Hinsicht.
Zum einen Zugkraft, denn die Schweden vereinen heuer mehrere Generationen, wie sie vor beeindruckender Kulisse bei diesem Heimspiel beweisen. Auf dem Sweden Rock feiert natürlich vor allem Alt, aber auch nicht wenig Jung die Gruppe ab, die sich hinter den Kulissen und in einem Interview sympathisch nahbar zeigt - beachtliche Charaktere mit Hinblick auf ihre Millionenschwere. Von Liebe zur Sache zeugt auch das Booklet der mit überragendem Bild und Ton ausgestatteten DVD, ganz zu schweigen von den zum Geburtstag gespielten Songs und deren Darbietung, womit wir bei "Zum anderen" wären ...
Kraftvoll ist nämlich auch das Zusammespiel von EUROPE zu nennen, insbesondere im rhythmischen Bereich mit Leven und Haugland. Davon profitieren das forsche "Scream of Anger"
und der Riffer "Riches to Rags" genauso wie die unzerstörbare Ballade "New Love in Town", wohingegen Mic Michaeli statt Eighties-Fanfaren zu bemühen heuer sehr oft auf einen Vintage-Hauch durch präsente Orgel-Sounds setzt. Eingedenk der üppig ausstaffierten Show (Licht!) ergibt dies einen Eindruck dessen, was auch WHITESNAKE mehr oder weniger erfolgreich geschaft haben (gut, Coverdale ist nicht so fit wie Tempest): ihren Melodic Rock bis Metal für die Neuzeit aufzufrischen und sich dabei nicht selbst zu kompromittieren. Die Skandinavier wirken auf den Brettern indes noch viel natürlicher wie Freunde als die Schlangen-Zusammenrottung, aber wie dem auch sei.
Scott Gorham während THIN LIZZYs "Jailbreak" und Michael Schenker bei "Lights Out" von UFO wären als Gäste gar nicht notwendig gewesen. So gut sahen EUROPE noch nie aus, ob als Einheit oder solistisch, wie sich Norum in "Girl From Lebanon" ausschweifend ins Schlaglicht rückt. Der Song läutet den ruhigen Mittelteil des Gigs vom 7. Juni 2013 ein, der für die Band und die Macher des Festivals zugleich in die Geschichte eingehen wird - trefflich eingefangen auf dieser Silberscheibe.
FAZIT: So gut wie aktuell und beim Sweden Rock 2013 im Speziellen waren EUROPE sicherlich nie. Ihre Geburtstagsshow auf dem Festival wurde mit dieser DVD klaglos festgehalten und zeugt optisch wie klanglich von einer Band im vollen Saft. So darf es gern noch eine Weile weitergehen, weshalb man auch geneigt ist, der Hardrock-Welt die Wiedervereinigung der Band als Riesenglück zu bescheinigen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.11.2013
John Leven
Joey Tempest
John Norum
Mic Michaeli
Ian Haugland
earMusic / Edel
168:29
25.10.2013