Flicht man folkloristische Instrumente in den kontext moderner, teils technoider Rockmusik, landet man rasch in der Ramsch-Gothic-Ecke oder muss sich als Feierabend-Mittelalterbarde abkanzeln lassen. Diese deutsche Band tut ersteres, macht sich aber keines der beiden Vorwürfe schuldig.
EYEVORYs Stil ergibt sich aus recht straightem Melodic Metal (traditionelle Zwillingsharmonien, treibendes Tempo und effektive, weil durchschaubare Breaks), elektronischem Versatz in Form zuweilen futuristischer Keyboard-Sounds sowie einer pastoral progressiven Anmutung, hervorgerufen durch das Flötenspiel von Kaja Fischer und ebenjene Augenblicke, in welchen der Synthesizer wie im programmatischen Artrock eingesetzt wird - flächig oder für perlende Leads beziehungsweise zur Akkordbegleitung statt als programmierter Klopfgeist ("I Trust In You").
Der druckvolle, manchmal fast über Gebühr aufgeblasen wirkende Sound und Jana Franks selbstbewusste Stimme deuten wiederum auf eine zeitgenössische Rockband hin, die auch jugendliche Hörer anspricht. Ob diese den unbeholfenen Sprechgesang ("Requiem Aeternam", zerfahren langer Tiefpunkt des Albums) und die Rave-Dünkel des ansonsten wie zum Kontrast bieder-freundlichen "Monster" schätzen, ist eher fraglich, zumal EYEVORY abgesehen von "Sacrifice" und "On My Way To Bliss" keine allzu kompakten Lieder, geschweige denn Hit-Anwärter schreiben.
Mit den rhythmischen Variationen während "In My Dream" verzetteln sich die Musiker zwar nicht, aber ihr Bekenntnis zur Verspieltheit kommt vor dem Hintergrund gewollter Eingängigkeit (fast AOR-Ausmaße annehmend im arg klebrigen "Good Times Are Now" mit VAN HALEN- oder EUROPE-Fanfaren) erzwungen, genauso wie die handelsübliche Ballade "Torn" gepflegte Langeweile verbreitet.
Highlights neben dem euphorisierenden Quasi-Titelstück (dabei stimmte der Gedanke an ein Loreen-Cover im Vorfeld skeptisch): "Black Bird" als origineller Kniefall vor den frühen MARILLION-Sachen mit Steve Hogarth und "1001 Nights", das mit Percussion und mystischem Kolorit selbstredend wie dem Orient entsprungen tönt.
FAZIT: Einen interessanten Stil haben EYEVORY mit ihrer zweiten Veröffentlichung bereits etabliert; ihre Kompositionen, eine Mischung aus Art Rock und angestrebt zeitloser Popmusik, überzeugen allerdings nicht durchweg, da einige Arrangements und zuvorderst der naive Gesang zumindest vom Standpunkt des Rezensenten betrachtet aufgesetzt erscheinen.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.05.2013
Jana Frank
Jana Frank, Kaja Fischer
David Merz
Kaja Fischer, David Merz
Sascha Barasa Suso
Kaja Fischer (Flöte)
Artist Station / Soulfood
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26.04.2013