Was passiert, wenn ganz viele Musiker einen auf musikalischen Ausnahme-Intellektualismus mit roter Färbung im Sinne der längst „vergessenen“ ART ZOYD – auch wenn die heute als absoluter Kult gelten – machen?
Dann darf man die Weißrussen des FIVE-STOREY ENSEMBLEs bestaunen! „Not That City“ ist der Beweis für ein komplett überambitioniertes „Rock In Opposition“-Album, das am Ende viel Masse, aber weit weniger Klasse aufzuweisen hat.
Warum bin ich wohl so verärgert darüber, dass „Not That City“ tatsächlich eine Musik-Stadt geworden ist, in die ich einfach nicht einziehen will?
Liegt es an der singenden Oberbürgermeisterin OLGA PODGAISKAYA, die mich jedes Mal nervt, wenn sie einfallsreiche Instrumentalpassagen mit vokalen Nerv-Einlagen malträtiert?
Oder an ihrem Stellvertreter SERGEY DOLGUSHEV, der vokalen Käse in vokalen Quark zu verwandeln versucht?
Endlich hat die ganze Zeuhl-Geschichte im Grunde ein weißrussisches Gesicht bekommen. Aber sie wird viel zu oft kombiniert mit Oper und Shanty, Schifferklavier und Volksmusik-Gestreiche sowie zarten Besen-Streicheinlagen auf den Drums. Experimentelles trifft auf wenig Essenzielles – und klingt bei „Bondman's Wings“ wie der pure Klau aus einem NYMAN-Soundtrack für einen Peter-Greenway-Film. Und wenn man bei „The Incommunication“ vielleicht auf eine Erinnerung an MARILLION hofft, bekommt man ein vokales Duett geboten, das entweder frei- oder unfreiwillig über die Faszination der schiefen Töne singt, in die dann gleich noch eine ebenso schiefe Violine einstimmt, um am Ende mit mittelalterlichen Klangkonstruktionen im Verlies der schief gewickelten Musiker begraben zu werden.
Wem sowas gefällt, der kann mir gerne wieder musikalische und dilettantische Kritikereinfallslosigkeit vorwerfen und sich an diesem <a href=" http://www.youtube.com/watch?v=lQLLSBHRgeI " rel="nofollow">Video</a> ergötzen, bei dem besonders die Leidenschaft der Keyboarderin regelrecht ekstatische Züge in sich trägt. Aber er wird auch feststellen, dass dieses FIVE-STOREY ENSEMBLE instrumental wirklich was zu bieten hat. Und zwar Musik, die ein MICHAEL NYMAN schon vor vielen Jahren ähnlich oder besser für seine Greenway-Filme zustande bekam und zurecht damit begeisterte! Das ist wirklich großes Kino! Besonders dann, wenn in diesem musikalischen Falle auch über allem die Skulptur des Massenmörders LENIN thront. Dann darf endlich auch mal der Stalinismus in einer Greenway-Verfilmung auftauchen.
FAZIT: Also ... Auf! Auf! ---- „Brüder zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lichte empor!“ Trotz dieser politischen Verfehlung wäre „Not That City“ rein instrumental sicher ein guter Greenway-Soundtrack made in Russia geworden. So ist am Ende nur ein Lenin-Pups mit Operettengesang und Zeuhl-Anstrich übrig geblieben. Schade!
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.05.2013
Dmitry Maslovsky, Vyacheslav Plesko
Olga Podgaiskaya, Sergey Dolgushev
Andrei Evodkimov, Jury Korogoda
Olga Podgaiskaya,
Nikolay Semitko
Vitaly Appov (Fagott, Saxophon), Alexander But'ko (Akkordeon), Natalya Malashkova (Oboe), Olga Polakova (Flöte), Anastasia Popova & Cirill Christia (Violine), Nadia Christia (Cello)
AltRock / Just For Kicks
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22.03.2013