Ein bisschen Geldschneiderei ist dieses vermeintliche Deluxe-Paket schon: FOALS aktuelles Erfolgsalbum kommt nach ohnehin schon verschiedenen Liebhaber-Fassungen nun mit dem Hauptteil der "Live At The Royal Albert Hall"-DVD, bloß ohne deren Boni noch einmal auf den Markt. An der starken Studioscheibe ändert sich wenig, der Konzert-Nachlese hängt man noch eine obligatorische Making-Of-Doku an.
Trotz der meisterlichen Produktion von Alan Moulder und Mark Ellis verkommt "Holy Fire" im Gegensatz zu vielen anderen Rock-Scheiben mit elektronischem Versatz nicht zur Nabelschau von Klangdesignern mit nur schwachem kompositorischem Fundament. Die Single "Inhaler" kommt wohl absichtlich ohne großes Hook aus und besticht einzig durch ihren bis zum Ende hin brodelnden Aufbau. Damit steht sie aber stellvertretend für "Holy Fire" an sich, denn statt auf dreist zudringliche Refrains zu setzen, haben FOALS tatsächlich ein in sich geschlossenes Album geschaffen, das des Zierrates (Fremdkomponisten und das London Contemporary Orchestra) angesichts des schreiberischen Gehalts nicht bedurft hätte.
Das unnötig in die Länge gezogene Intro verfehlt seine Funktion, eine wie auch immer geartete Stimmung für das Kommende zu setzen, weshalb "Holy Fire" in seiner Gesamtheit letztlich von seiner schlingerenden Atmosphäre lebt. Was vielleicht auf "Antidotes" noch im Ansatz rotzig klang, ist nunmehr verschwunden, und man vermisst es nicht, auch wenn FOALS im verhalten aufbegehrenden "Providence" einen verhaltenen Rückgriff zu wagen scheinen. Der sehnsüchtige Zweier aus "Stepson" und "Bad Habit" sowie "Late Night" (live mit fulminantem Gitarrensolo), in welchem der Frontmann herrlich verloren klingt, das hibbelige, zwischendurch aber umso gelöstere "Milk & Black Spiders" und der minimalistisch rauschende Ausklang "Moon" (vom tollen Arthouse-Streifen "Melancholia" beflügelt) sind standfeste Eckpfeiler einer wahrlich großen Platte, deren Gehalt sich nicht in grellen Tönen aufdrängt, sondern im konstanten Schillern begründet liegt. Dies mögen das leichtfüßig funkige Doppel aus "Out Of The Woods" und "My Number" sowie "Everytime" verhehlen - drei Nummern, die mit etwas zu viel "Uhu" und "Oho" daherkommen, aber dennoch ...
Die Größe der Scheibe spiegelt sich auch in den auf der DVD gebotenen Stücken davon wider. FOALS verkauften die altehrwürdige Royal Albert Hall tatsächlich innerhalb einer Viertelstunde aus, machen aber kein überdachtes Stadion aus der Location, sondern lassen es passenderweise intim angehen. Sehr vielsagend dabei: das erzählerische Vorspiel "Credits", in dem Aushängeschild Yannis Einblicke in seine Haltung zur Kunst und dem Leben generell gibt. Ansonsten erweist sich das bisherige Schaffen der Band als stringentes Gesamtkunstwerk, in dem weder vordergründige Hymnen ("Olympic Airways") noch raumgreifende Epen ("Spanish Sahara") fehl am Platz sind. Feiste Rocker werden FOALS im Leben nicht mehr, doch von ihrer Tightness kann sich manch andere Combo etwas abschneiden - und starke Entertainer sind sie obendrein, weshalb die Macher keine hektischen Kamerafahrten oder sonstige Gimmicks benötigten. Das Ambiente des alten Gemäuers stimmt ja ohnehin.
FAZIT: Angesichts der nicht mehr so recht aus den Puschen kommenden INTERPOL, einer am ehesten mit FOALS vergleichbaren Gruppe, dürften die Briten spätestens mit diesem dritten Album die Speerspitze des progressiven Indie Rock bilden. Davon zeugt "Holy Fire" in welcher Form auch immer, ob mit oder ohne Zusätze wie diese DVD, die sich Fans wegen des massiven Bonusmaterials besser einzeln (dann auch als Blu-ray) besorgen sollten.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.11.2013
Walter Gervers
Yannis Philippakis
Jimmy Smith, Yannis Philippakis
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49:42 + 97:46
25.10.2013