Man sieht das walisische Trio, das bislang die EP „Godsticks“ und den Langspieler „Spiral Vendetta“ vorlegte, schon von weitem kommen: Eine mosaikartig arrangierte Spirale ziert das Gesicht eines alienesken, feuerspeienden Picassowesens, das in warmen Herbstfarben leuchtet, und der Umschlag vermittelt den Inhalt bereits besser als es tausend Worte könnten. Versuchen wir es dennoch.
Die primäre Erkenntnis lautet: Möchte man das neue Werk in den Kontext der aktuellen Progszene einbetten, so wird man seine bedingungslose Unabhängigkeit von etwaigen Trends oder Standards feststellen. Das liegt nur in zweiter Linie daran, dass es eher schwierig ist, passende Vergleichsobjekte zu finden; irgendwo zwischen Dadaismus, Zappaismus und der Wärme einer intimen Kaminballade (mit gelegentlichen Progmetal-Fragmenten) richten sich GODSTICKS ihre eigene gemütliche Nische ein. In erster Linie ist es jedoch die unaffektierte, schulterzuckende Art und Weise, wie hier Avantgardismen eben nicht zelebriert, sondern als selbstverständlich vorgetragen werden, wodurch sie eine Zugänglichkeit erreichen, die dem Grundgedanken von Gegenstrom-Musik eigentlich zuwiderlaufen müsste. Ohne es zu ahnen, nimmt also auch der harmoniebedürftige Musikhörer krumme Taktarten und Sonstiges mühelos auf.
Der warme Sound mit sehr breitflächigen Gitarren, die ordentlich Fuzz auf den Rippen haben, trägt sicher das seine dazu bei. Darran Charles reizt den Kontrast zwischen dem verzerrten Klang und den - speziell im Einstieg „Caught In A Bind“ und im darauf folgenden Titelstück - sehr wohl ausdefinierten Griffabfolgen voll aus. Noch dazu tritt er als Sänger mit einer Stimme in Erscheinung, die trotz ihres kräftigen Ausdrucks viel zu weich, nasal und unscheinbar wirkt, um sich aufzudrängen. Sie ist ungemein präsent, aber doch eher wie ein zusätzliches Instrument; bisweilen kommt gar der Eindruck auf, man lausche einem Instrumentalalbum.
Und doch spielen die Lyrics eine nicht unbeachtliche Rolle. Hinter betont einfacher Paraphrasierung verbergen sich mitunter sehr kryptische Inhalte. Mit der schwierigen Nachvollziehbarkeit geht ein deutliches Augenzwinkern einher, das Charles auch ganz gerne in seine Stimme transportiert (manchmal meint man, ihn beim Singen leicht schmunzeln zu hören). Zusätzlich bedient der plötzliche Einsatz artfremder Instrumente oder ein komplett aus dem Zusammenhang gerissenes Piano-Intermezzo („Disclosure“) den trockenen Humor.
Man muss natürlich auf solche Details bewusst achten, denn sonst besteht die Gefahr, dass man sich von der Wärme des Albums einlullen lässt und nach dem recht peppigen Beginn auf halber Strecke die Konzentration verliert. Den vorzüglichen „Borderstomp“-Dreiteiler würde man so selbstverständlich verpassen. Vielleicht macht dieser aber auch wieder selbstständig auf sich aufmerksam, die Gitarren jedenfalls fahren hier einen spürbar härteren Kurs als im vorangehenden Teil, und auch sonst formt sich etwas Handfestes aus dem Nichts, bevor man mit der folkigen Abschlussballade selig in den Schlaf gewiegt wird.
FAZIT: Hervorragendes Ergänzungsfuttermittel zu den momentanen Speerspitzen-Progalben, die sich an den großen Künsten laben. „The Envisage Conundrum“ ist ambitioniert zwar, aber gleichzeitig natürlich, ebenmäßig und unaufdringlich.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.03.2013
Dan Nelson
Darran Charles
Darran Charles
Steve Roberts, Darran Charles
Steve Roberts
Bruce Soord (Backing Vocals auf "In A Way That Ended Me"), Kaysha Wilson (Backing Vocals auf "A Brief Foray"), Steve Roberts (Piano auf "Disclosure"), Hannah Miller (Cello auf "Borderstomp - Part 2")
Eigenproduktion / Just For Kicks
59:40
01.03.2013