Man geht mit der Zeit: So fuzzy bauchig wie im Intro klangen Lindes Gitarren in der Vergangenheit nicht, aber abgesehen davon ist bei den finnischen Superstars alles beim Alten geblieben: Schlichte Achtel-Riffs, ruhig schmachtende Strophen und vorhersehbar eingängige Refrains bilden weiterhin die Hauptzutaten des HIM-Sounds - bloß sinkt das Niveau zusehends, und der Lack blättert nur auf den aktuellen Promo-Fotos nicht ab.
Photoshop-Beaus spielen Pop mit harten Gitarren in Perfektion: Ewiges Minimal-Klimpern gemäß der Blaupause "Join Me" (Titelstück, "Drawn & Quartered") und Eighties-Refrains ("Love Without Tears" "Hearts At War"), die herauskommen, wenn man die offensichtlichsten Songs von Nick Cave oder Chris Isaak auf ihren trivialsten Nenner zusammenkürzt bilden das Gros der Stücke auf "Tears On Tape". Dass der Chorus jeweils mal mehr, aber umso häufiger weniger gut gelingt, fällt blauäugigen Fans angesichts der einlullenden Gleichförmigkeit des Albums vermutlich nicht auf, und Iommi Triller wie in "All Lips Go Blue" verhehlen nicht, dass diese Musiker prinzipiell Null mit Rock zu tun haben, sieht man von dessen abgedroschensten Gesten (verwegene Liebhaber, finster anrüchtiges Auftreten) ab.
Sieht der Hörer dies ein, hat er zumindest temporär Freude mit dem zuckersüßen "Into The Night" oder dem zur Abwechslung erfreulich erhebenden "No Love", und dass sich Chart-Musiker trauen, auch einmal Solos zu spielen, kann man nicht genug loben, auch wenn es bei HIM höchst selten geschieht. Pose ist König ... Vallos Verharren beim Herzschmerz und allen dazu gehörenden Klischees nervt offengestanden genauso wie sein Raunen und Schluchzen, geradezu selbstironisch praktiziert im ansonsten einfallslosen "W.L.S.T.D.". Das Quasi-Outro "Kiss The Void" sowie einige Interludien täuschen nicht darüber hinweg, dass die Band ihren Zenit überschritten hat, auch wenn sie schon wieder im Trend liegt, da Wave im Sinne der Achtziger momentan ein wenig Auftrieb erfährt.
FAZIT: Der neulich präsentierte Coversong (wieder einmal) "Solitary Man" war das Stärkste, was HIM in den letzten Jahren verzapft haben. "Tears On Tape" ist Wasser auf die Mühlen der Anhänger von Posterboy Ville Vallo und nutzt sich in Anbetracht der mittlerweile üppigen Diskografie des Finnen rasch ab: same shit, different day.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.04.2013
Migé
Ville Valo
Linde
Burton
Gas Lipstick
Universal
41:02
26.04.2013