Ålesund liegt nordnordöstlich von Bergen, verteilt sich über mehrere kleine Inseln, die Innenstadt verbrannte 1904 fast komplett in einer großen Feuersbrunst. Hedvig Mollestad Thomassen stammt aus Ålesund und um dem Klischeepferd Zucker zu geben: Welche Möglichkeiten hat ein kreativer Skandinavier? Richtig, Krimis schreiben oder Musik machen. Hedvig entschied sich für letzteres und wurde zum Kopf eines Trios. Jazz, klar; wo wir gerade bei Klischees, oder wie wir vornehmen Kritiker zu sagen pflegen, „Clichés“ sind, tippen wir auf Melancholie, Baby; eisige, in der Weite der kalten See verhallende Klänge, frisiert mit ein wenig avantgardistischer Aufbruchsstimmung.
Oder wir bleiben bei der Feuersbrunst. Das HEDVIG MOLLESTAD TRIO mag zwar unter dem Label Jazz einsortiert werden, aber die Musik rockt. Die Bandleaderin holt die elektrische Gitarre raus und lässt es krachen. HENDRIX, PAGE, selbst kurze Feedbackorgien a la NEIL YOUNG sind möglich. Dazu spielt Ellen Brekken gleichwertig Bass; pumpend, volltönend, aggressiv, aber auch filigran akustisch. Solistische Exkursionen sitzen ebenfalls drin. Nicht nur „lake acid“ gibt den Takt vor. Die Takte….
Ivar Loe Bjørnstad, der einzige Mann im Team, trommelt nicht wie ein Berserker, liefert aber ein so griffiges wie vorantreibendes Fundament.
Mollestad selbst spielt zupackend und nicht ausufernd, sodass „All Of Them Witches“ auch für Technik-Agnostiker goutierbar ist. Soli, Breaks, Rhythmus- und Tempiwechsel bleiben fokussiert und präzise; nur selten langweilen Wiederholungen oder eine etwas zu steife, akademische Attitüde wie am Ende der ansonsten wuchtigen Kampfansage „sing, godess“.
Wie so oft, wenn es ordentlich röhrt, sind die leisen, zurückhaltenden Momente die eigentlichen Hauptgewinner. Wie das balladeske „achilles“, das eindrücklich zeigt, dass Hedvig Mollestad Thomassen sehr wohl in Elegisch kann. Ebenso gelungen sind der Feedback-Schleicher „ghrá rúnda“ und die gebremsten Passagen im abschließenden „kathmandu“.
FAZIT: „All Of Them Witches“ ist Musik für Hardrocker mit einem Jazz Faible, oder für Jazz-Enthusiasten, die es gerne mal etwas heftiger mögen. Das Album hält die geschickt die Waage zwischen Fingerfertigkeit und dem ungebremsten Schlag auf den Lukas. Ohne es in eine von beiden Richtungen zu übertreiben. Das Glöckchen klingelt, aber es wird nicht atomisiert.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.05.2013
Ellen Brekken
Hedvig Mollestad Thomassen
Ivar Loe Bjørnstad
Rune Grammofon
42:10
10.05.2013