Die renommierte Cello-Grenzgängerin Alison Chelsey veröffentlich hiermit die dritte Scheibe unter dem Namen HELEN MONEY, und dies unter der Ägide eines Metal-Labels, derweil sie von Kollaborationen mit YAKUZA über Bob Mould bis hin zu BROKEN SOCIAL SCENE einen weiten Weg beschritten hat. Die weiteren Beteiligten lassen unterdessen die Zungen von Alter-Nerds schnalzen: Jason Roeder von NEUROSIS und SLEEP trommelt, Steve Albini (SHELLAC) hat die Chose klanglich ansprechend inszeniert.
Chelsey macht ausgiebigen Gebrauch von Distortion und Loopern, verfremdet ihr Instrument aber nur selten bis zur Unkenntlichkeit. "Beautiful Friends" und "Runout" fallen sogar nachgerade klassische aus, zumal in beiden Fällen mit Klavier versehen, das ein findiger Jazz-Pianist beisteuert. das erste der beiden Stücke entwickelt sich ab der Hälfte langsam zum gesanglosen Sludge, wenn die Drums einsetzen, und ist obendrein sogar eingängig. Roeder leistet auch Wahnsinniges während "Radio Recorders" dem Anspieltipp des Albums, das zunächst gewaltigen Zug nach vorne besitzt und zwischendurch den Himmel voller Geigen beziehungsweise Celli hängt - eine wirkliche Gefühls-Achterbahn.
Der Titelsong schlägt in eine ähnliche Kerbe und erweist sich erst nach mehrmaligen Durchläufen als schlüssig; resonierende Akkorde, an- und abschwellende Einzeltöne und sägende Melodien im Verbund und obendrein auf mehrere Spuren verteilt muss man sich nach und nach erschließen. "Rift" gestaltet sich als Einleitung ungleich schlichter, verbleibt nach anfänglichem Drone mit zähen Riffs ohne Rhythmus, vielmehr in Echo-hafter Anmutung mit fühlbar gelöstem Ende. "Upsetter" etabliert ein hypnotisches Sechston-Motiv, das wiederholt von verzerrt mit Bogen gestrichenen Dissonanzen torpediert wird und mit "Midwestern Nights Dream" covert die Künstlerin tatsächlich Pat Metheny. Das Stück von dessen Schlüsselalbum "Bright Size Life" wurde recht konservativ umgesetzt, klingt aber ohne Saxofon und Rhythmusgruppe minimalistischer. Ist eigentlich schon einmal jemandem aufgefallen, dass Hetfield und Ulrich das Intro zu "One" hier geklaut haben?
"Schrapnel" ist wohl das zugänglichste Stück auf "Arriving Angels", waschechter Doom mit geradlinig schleppendem Rhythmus und klagenden Melodien, bevor das erwähnte "Runout" einen irgendwie nachdenklichen, aber nicht trostlosen Schlusspunkt hinter ein äußerst stimmungsvolles Stück Musik setzt - sicher nicht U, aber auch nicht trocken E und schon gar nicht Ambient-F, sondern eine spannende, fühlbare Kopfhörer-Angelegenheit.
FAZIT: HELEN MONEY bewegt sich aktuell zwischen rein materialhafter Experimentalmusik und Ansätzen von richtigen Songs hin und her, ohne einen Eindruck von Zerrissenheit zu erwecken. Dabei werden die Grenzen des Cellos ausgelotet, doch "Arriving Angels" ist weniger ein ungenießbares Test- und damit Mienengelände für zarte Ohren, sondern eine sehr nahbare, bildhafte Aufnahme, aus der man nach kurzer Einfindungsphase Wert schöpfen kann.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.02.2013
Dennis Luxion
Jason Roeder
Alison Chelsey (Cello)
Profound Lore
40:23
08.02.2013