Gitarre, Bass und Schlagzeug, mehr braucht es manchmal nicht, um über hundert Minuten hörenswerte Musik einzuspielen. Auf „Waiting For You“ zelebrieren FRANZ HELLMÜLLER, STEFANO RISSO und MARCEL PAPAUX einzelne Töne; Klänge wie impressionistische Farbtupfer in einer mitternächtlichen Welt. Es existiert keine Eile, keine Hektik, sondern eine Stimmung zwischen Anspannung und Versunkenheit. HELLMÜLLER entlockt seiner Gitarre elegische Melodien, greift Ideen auf, lässt sie wie beiläufig fallen, wendet sich neuem Stoff zu. Das könnte in seiner weitläufigen Bedächtigkeit auf Dauer ermüdend wirken, doch ist es ein Genuss HELLMÜLLERs fein ziseliertem Spiel zuzuhören. PAPAUX sorgt mit vielseitigem, aber kaum aufdringlichem Schlagwerk für kontinuierlichen Druck, den RISSO am Bass aufnimmt und weiter trägt, egal ob er behände zupft oder klassisch mit Bogen spielt.
Wie es einem gleichberechtigten Trio angemessen ist, bekommt jeder Musiker seine Zeit im Vordergrund, ein paar der eindrücklichsten Momente gehören Bass und Schlagzeug. Dabei vermeidet das Trio einlullende Wellness-Atmosphäre, manche Passagen wirken improvisiert, frei eingespielt, ohne dass es zerfasert oder atonal wird. Wer Extreme sucht oder strukturelle Zerstörung wird auf beiden Silberlingen nicht fündig. Aber das ist auch nicht notwendig. Hier agieren ausgezeichnet aufeinander abgestimmte Musiker mit Gefühl und Spiellust, nur selten ein wenig spröde. Ausflüge Richtung Funk („late night“), Klassik („herbst-zeit-lose“) und Slow-Motion-Freejazz („brichariasio“) nicht ausgeschlossen.
Wären wir bei einem großen Internet-Versandhandel, könnte das FAZIT lauten: Kunden denen HELLMÜLLER, RISSO, PAPAUX gefallen, hören auch BILL FRISELL, JOHN ABERCROMBIE und PAT METHENY (besonders, wenn er mit CHARLIE HADEN oder im Trio spielt). Aber wir sind ja nicht in Amazonien, und so ist „Waiting For You“ ohne Vergleiche perfekte Meditationsmusik, wenn Meditation „Konzentration auf das Wesen(tliche)“ bedeutet.
Oder: Mit den „Mad Men“ nach Dienstschluss im nächtlichen New Yorker Großraumbüro abhängen und dabei Raymond Chandlers „Der lange Abschied“ lesen. Keine üble Vorstellung. Ganz und gar nicht.
Klanglich ist das Doppel-Album eine Wucht. Klar und deutlich, egal ob leise oder laut.
PS.: Ein Ärgernis ist wieder mal das Digi-Pack, das beide CDs stramm in Pappschubern enthält. Bekommt weder den Silberlingen noch der Hülle selbst gut. Erste zerkratzen leicht beim rein- und rausnehmen, das Zweite ist anfällig für Risse. Dem Erfinder dieser flachen Pappkatastrophen sollte man diese um die Ohren hauen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.08.2013
Marcel Papaux
Franz Hellmüller
Stefano Risso
Unit Records
CD1: 56:34 /CD2: 50:57
16.08.2013