Es ist immer wieder eine angenehme Erfahrung, wenn in Deutschland sich gewisse Label damit beschäftigen, progressive, jazzige, experimentelle und noch viele andere, viel zu selten beachtete Musik-Stile zu unterstützen, indem sie sich in aller Welt auf die Suche nach Bands dieser Kategorie begeben. MOONJUNE leistet in dieser Beziehung echte Pionier-Arbeit und fördert diesmal ein Quartett aus Indonesien zutage, dass sich dem verspielten Jazz-Rock widmet.
„Chapter One“, so der einfach gehaltene Name des Albums von der deutlich seltsamer benannten Band I KNOW YOU WELL MISS CLARA, ist leider eher so unkompliziert wie sein Titel es verkündet. Das erste Kapitel eben, in dem sich einiges zwar ankündigt, aber die wirkliche Spannung noch ausbleibt – höchstens ein wenig aufgebaut wird.
Das hört sich dann in etwa so an:
Tief in den 70er Jahren verankerter Jazz-Rock, der sich im Umfeld von SOFT MACHINE, KLAUS DOLDINGER'S PASSPORT, WEATHER REPORT und PAT METHENY bewegt. Progressiver Jazz mit einer Portion Rock eben, der leider nur selten Grenzen auslotet oder sich von Strukturen befreit, um auszubrechen. Noch zu zahm und zu verhalten klingen diese indonesischen Clara-Versteher.
Doch sollte man bestimmt nicht zu hart mit den Jungs zu Gericht gehen. Ein Blick auf das Band-Bild im Inneren des dreigeteilten Digi-Packs überrascht einen schon, wenn man feststellt, wie jung die Musiker wohl noch sind. Der Gitarrist REZA RYAN verkündet zugleich, dass er bereits mit 10 Jahren anfing, Gitarre zu spielen, weil seine ganze Familie aus Musikern besteht. Und er wuchs mit Bands auf, die seine Leidenschaft erst richtig ausbrechen ließen: HATFIELD AND THE NORTH, NATIONAL HEALTH, MATCHING MOLE und SOFT MACHINE. Später kamen dann KING CRIMSON und VAN DER GRAAF GENERATOR hinzu. Diese Einflüsse hört man allesamt auf „Chapter One“ - ganz ohne Frage. Nur reicht das? Im Sinne einer Schublade, die wir mal Retro-Jazz-Rock nennen wollen, durchaus. Nur dass die vier Indonesier viel zu oft bei dieser Musik die Handbremse anziehen. Es wird nicht so verspielt, wie beispielsweise bei BRAND X, drauflosmusiziert, was nach gewisser Zeit dieses über einstündige Hör-Erlebnis stört. Fehlende Ideen werden häufig einfach durch einfallslosere Wiederholungen ersetzt.
Und selbst wenn der letzte Song mit einem KING CRIMSON-Akkord beginnt und überraschender Weise nicht so sehr nach der Band klingt, die man bei dem Titelnamen „A Dancing Girl From The Planet Marsavishnu Named After The Love“ erwartet, nämlich das MAHAVISHNU ORCHESTRA, entschädigen diese bei weitem besten, letzten 10 Minuten von „Chapter One“ nicht für die bis dahin verhalten jazz-rockige Langeweile.
FAZIT: Eine junge Band aus Indonesien mit einer tiefen Leidenschaft für den 70er-Jahre-Jazz-Rock, die sich noch nicht ganz trauen, ihre eigenen Grenzen auszuloten und stattdessen ihre Vorbilder mit ehrfürchtiger Zurückhaltung auf „Chapter One“ musikalisch zu würdigen versuchen. Das Musik-Buch ist zumindest geöffnet – nun warten wir auf ein spannenderes zweites Kapitel!
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.09.2013
Enriko Gultom
Reza Ryan
Adi Wijaya
Alfiah Akbar
Nicholas Combe (Saxofon)
Moonjune Records
63:50
29.09.2013