Im Sog der nochmaligen Rückkehr "The Great Escape Artist" (nach dem ebenfalls durchwachsenen Comeback "Strays", dessen nerviges "Just Because" hier ebenfalls vertreten ist) veröffentlichen die einstigen Vorreiter schlechthin der ursprünglichen Alternative-Bewegung ihren ersten ausladenden Konzertmitschnitt in allen wesentlichen Formaten. Uns steht die DVD allein zur Besprechung zur Verfügung.
Die angekündigte Orgie findet gewisserweise wirklich statt: JANE'S ADDICTION lassen leichtbekleidete Tänzerinnen an Seilen über der Bühne schwingen und fahren eine extravagante, aber nicht übertrieben grelle Lichtshow auf. Das Ganze hat etwas von Vaudeville, wozu Perry Farrell frisch onduliert und bisweilen mit Rotwein-Buddel den Zeremonienmeister mimt. Die Band hat höllisch Bock, ausgenommen vielleicht Bassist Chaney, der zwar nicht erst seit gestern dabei, aber eben vor allem ein Session-Musiker auch für andere ist. Davon abgesehen zeigt man sich angenehm nahbar und kommunikativ, was auch dem gebotenen Songmaterial entspricht, mit dem sich nach wie vor das Gros der uniformen Szene messen lassen muss.
Sind Bondage Spielchen wie während "Ted, Just Admit It..." lächerlich für Musiker, die beinahe schon zur Altherrenriege des Rock gehören? Nun ja, JANE'S ADDICTION sind jung geblieben (nicht nur geistig, wenn man sich Beau Navarros Körperbau ansieht), und Farrell eckt bis heute bewusst überall an, was ihn streitbarer macht als seine Musik. Zu den Highlights der Show zählen das episch-energische "Ain't No Right" und die Uralt-Schote "Jane Says" natürlich ebenso wie die Klassiker "Stop" und "Been Caught Stealing". Das lange "Three Days" nahm so etwas wie Alternative Prog gut zehn Jahre vorweg und vertrat auch an jenem Abend im Big Apple ebenso Maßstäbe wie eine Attitüde, die es im gegenwärtigen Musikbetrieb leider nur noch selten gibt: künstlerischer Ausdruck geht bei allem relativen Erfolg vor, zumindest für den Kopf der Band, und dies gepaar mit politischem Sendungsbewusstsein, dem Hippie Gedanken von freier Liebe sowie einer entschiedenen Absage ans Kalkül ... wovon auch das sympathische, zehnminütige Interview des spärlichen Bonusteils zeugt.
FAZIT: "Live In NYC" ist ein in Bild und Ton starkes Zeugnis der Live-Qualitäten von JANE'S ADDICTION und erinnert noch einmal daran, wie wichtig diese Band für die Prägung des Alternative Rock und der daraus erwachsenen Avantgarde war. Heute mögen sie dieses Erbe wenn auch ehrlich gemeint eher unauffällig weiter vertreten, aber diese Aufbereitung des Schaffens lässt man sich eher gefallen als dröge Best-Ofs.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.07.2013
Chris Chaney
Perry Farrell
Dave Navarro
Stephen Perkins
Universal
77:55
05.07.2013