Mit ihrer zweiten Veröffentlichung zeigt sich die aus Kufstein in Österreich stammende Gruppe KAMMERFLIMMERN bereit für internationale Weihen. Ihre eigenständige Mischung aus hartem Industrial, Post Punk und allem irgendwie "alternativ" Klingenden besticht einerseits durch Widerborstigkeit, sperrt sich andererseits aber auch nicht kategorisch gegen eingängige Strukturen.
Sänger Wolfgang, der den nicht unerheblichen elektronischen Anteil der Songs beisteuert, verfügt über eine Stimme, die Assoziationen zu den neueren KILLING JOKE weckt, gleichzeitig da die brettharten Gitarren eher an modernen Metal denken lassen. "Sirenen" hat demzufolge etwas von den spacigen FEAR-FACTORY-Tracks und bietet gleich den ersten zudringlichen Refrain der Scheibe, die in puncto Stimmung apokalyptisch anmutet, wenngleich mit atmosphärischen Brüchen zugunsten der Abwechslung. Dazu gehört das narrative "Simulacrum" ebenso wie das sehnsüchtige Titelstück, dem man Hitqualitäten trotz seines herben Schlussteils nicht absprechen kann.
Live funktioniert die Musik der Combo vermutlich noch besser - beziehungsweise hätte es eines vermutlich zu teuren Produzenten bedurft, um die Vorzüge ihres Stils und das hochwertige Songwriting zu betonen. Der Sound von "Insomnie" könnte nämlich besser sein, aber es ist auch nicht so, dass die Güte der Stücke dadurch zunichtegemacht würde. FILTERs Poppigkeit mit der mathematischen Präzision von MESHUGGAH zu verbinden - unterstellen wir es KAMMERFLIMMERN einfach lapidar - ist ein ambitioniertes Unterfangen, dem vor allem "Mydriasis" gerecht wird. "Raumklang" fungiert nur als waviges Zwischenspiel und stellt dem brutalen Gehämmer von "Ether" (schwebender Refrain allerdings wieder) gegenüber ein Gesicht des interessanten Januskopfes dar, mit dem man es im Fall dieser hoffnungsfrohen Band zu tun hat.
FAZIT: "Insomnie" ist nicht nur Fans der erwähnten Projekte ans Herz zu legen, sondern Freunden finsterer, leicht synthetischer, aber immer noch ausreichend organisch tönender Musik auf Gitarrenbasis generell. Dass KAMMERFLIMMERN auch jeglicher Kontexte enthoben funktionieren, zeigt sich daran, dass der deutsche Gesang überhaupt nicht als stilprägend ins Gewicht fällt - das Gesamtpaket als solches macht ihre Eigenständigkeit aus.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.05.2013
Roland Treichl
Wolfgang Ellmerer
Markus Luchner
Daniel Krejci
Eigenvertrieb
38:56
12.04.2013