Was zuerst wie ein komplett neues Album angekündigt wurde und sich dann als gewöhnliche Remix-Angelegenheit entpuppte, passt schlussendlich vor allem in die Eindrücke, die „Dead End Kings“ hinterlassen hatte: KATATONIA werden fluffig und lassen sich blindlings in die Arme des Massengeschmacks fallen, ohne wirklich gewusst haben zu können, ob sie aufgefangen werden.
Der Erdboden jedenfalls ist nun so sehr vom Regen durchweicht, dass die Moserer kaum mehr anders können, als sich wie Würmer aus dem aufgelockerten Boden zu winden und ihrer Natur nachzugehen. „Dethroned & Uncrowned“ ist künstlerisch eine zutiefst verletzliche Angelegenheit. Ein in Windeseile nachgeschobenes Remixalbum kann bedeuten, dass man mit dem Original selbst nicht zufrieden ist, womit man den kritischen Stimmen indirekt Recht gäbe. Im vorliegenden Fall geht die Initiative wohl hauptsächlich von der Band aus und nur teilweise vom Label kscope, das die Neuinterpretationen der ohnehin schon in Ansätzen experimentellen „Dead End Kings“-Stücke zwar im gewohnten CD-DVD-Digibook-Format auflegt, ursprünglicher Quell der Idee allerdings ist Pledge Music, eine seit 2009 bestehende Plattform, die das Crowdfunding zum Geschäftsmodell gemacht hat.
Die Finanzierung wurde immerhin binnen vier Tagen unter Dach und Fach gebracht. Nachfrage ist folglich da und es steht dem Vorhaben, den „König der Depression“ in Form verzerrter Gitarren und Schlagzeug zu entthronen und reine Melodie übrig zu lassen, nichts mehr im Wege. Zu Bedenken gilt dabei, dass dieser König im Vergleich zu früheren Tagen ohnehin schon altersmilde war, als ihm das Zepter entrissen wurde. Man könnte also mit Recht monieren: Wie kann man würdevoll einen König vom Thron reißen, der im vergangenen Jahr sowieso nur noch mit der Gestik eines weichen Greises über sein Reich regierte?
Hört man die fast vollständig um Schlagwerk und E-Gitarren beraubten Stücke, übermannt einen tatsächlich weniger das Gefühl, man habe es mit einer Revolution zu tun, sondern eher mit der Fortsetzung eines natürlichen Verfallsprozesses. Die Krähen am düsteren Himmel scheinen Helfer des Laufs der Dinge zu sein, als sie die Krone entführen. KATATONIA demontieren sich bei vollem Bewusstsein selbst, und obwohl diese Tatsache alleine erschreckt und die Mittel, derer sie sich dabei bedienen, so alt und abgedroschen sind wie die Neuinterpretation als künstlerische Ausdrucksform selbst, macht es irgendwo auch wieder Sinn.
In der Detailarbeit werden allerdings durchaus neue Betonungen gesetzt, was verschiedene Momente in einem etwas anderen Licht scheinen lässt. „Buildings“ wird so von Pianotupfern und wuppenden Keyboardeffekten verändert, das kräftige „The Racing Heart“, ein Highlight von „Dead End Kings“, wird im Gesamtbild weicher, durch die harten Akustikgitarren behält es aber doch seine starke Akzentuierung beim Wandel der gezeitenartigen Akkorde bei. Streicher haben die Landschaft am meisten verändert, sie durchpflügen praktisch das gesamte Album. Vernahm man bei der E-Gitarrenarbeit des zugrunde liegenden Albums ohnehin bereits deren typische phantomartige Strichzüge, manifestieren sie sich nun auf eine seltsam anmutende, erhabene und doch dem Untergang geweihte Art und Weise, wie sie ideal zur Thematik passt.
Am groben Gesamteindruck, vielleicht auch an der Quintessenz, können diese raffinierten Feinheiten leider nichts ändern: Schon viele, viele Bands vor KATATONIA haben alten Wein durch seidige neue Schläuche gepumpt. Die daraus resultierende Häufigkeit erzeugt Klischees und diese Klischees unterwandern nun die grundlegende Vorgehensweise. Fehlt seitens des Hörers nur ein Hauch von Einfühlungsvermögen oder Bereitschaft, sich in die grundsätzliche Idee einzudenken, wird das Resultat für ihn vermutlich eine schnarchöde Angelegenheit werden. Andere wiederum mögen zu „Dethroned & Uncrowned“ sogar einen ungleich größeren Zugang gewinnen als zu „Dead End Kings“.
FAZIT: KATATONIA versetzen ihr jüngstes Werk mit neuen Akzenten, die sich vor allem durch gefühlvolle Streicher und Bläser, funkelnde Pianos und kristallklare Akustikgitarren definieren – eine Überraschung ist das nicht. „Dead End Kings“ hat bereits mit jeder Faser auf ein Ende des Metal hingewiesen, das hiermit erwartungsgemäß geliefert wird. So gesehen mag „Dethroned & Uncrowned“ vielleicht sogar das ehrlichere der beiden Alben sein, es wird aber eben auch immer nur ein Abkömmling eines Erstgeborenen bleiben
Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.09.2013
Niklas Sandin
Jonas Renkse
Anders Nyström, Per Eriksson
Daniel Liljekvist
Kscope
46:09
13.09.2013