Geschichten, die ein Kritiker-Leben so schreibt.
Kaum hat man einen guten „Medien“-Bekannten, den man irgendwie mag – zwar nicht immer, aber immer öfter – und der sich auch leidenschaftlich mit Musik auseinandersetzt, dann kommt der Moment, in dem man als Musikkritiker mit der Bitte konfrontiert wird, doch mal ein Album eines anderen guten Bekannten, „der nicht in Medien, sondern Musik macht“, zu besprechen.
„Pfui, Subjektivität!“, werden jetzt viele rufen – aber, liebe Leute, jede Kritik ist subjektiv, das sollte man schließlich wissen. Allerdings heißt Subjektivität nicht zugleich, dass man ein Produkt über den grünen Klee lobt, obwohl es im Grunde Käse ist. Und damit wären wir auch schon bei „The Tales Of Dorian Gray“ von KNIGHT MOVE.
Noch immer habe ich meinen guten „Medien“-Bekannten im Verdacht, dass er, als er mir dieses Album, versehen mit einem handgeschriebenen Zettel „Ungehört zur Begutachtung!“ auf den Tisch legte, nicht ganz bei der Wahrheit blieb. Denn wer diese CD einmal hört, wird schnell feststellen, dass das beste daran eindeutig das auf erotisch getrimmte Booklet ist. Die Musik und die englischen Texte sind dagegen eine regelrechte Beleidigung für Ohr und Verstand.
Von Anfang bis Ende durchzieht diese auf poppig-elektronisch getrimmte Gothic-Scheibe ein blecherner Drum-Computer-Sound, der im Hier und Heute seinesgleichen sucht (und bestimmt nicht finden wird). Dazu gibt’s Melodien aus dem „Bau-dir-ein-melodiöses-Liedchen-Baukasten“, die zum einen Ohr hinein gehen und das andere Ohr glücklich machen, wenn sie aus dem endlich wieder heraus sind. Und die ganz, ganz wenigen musikalischen Höhepunkte setzt der Keyboarder DANIEL DEXTER, immer dann, wenn er auf seine Orgel zurückgreift und ein wenig dieses 70er-Retro-Gefühl entfacht. Allerdings bleibt das auf „The Tales Of Dorian Gray“ die absolute Ausnahme, genauso wie OSCAR WILDE und die hier zu lesenden lyrischen Ergüsse so viel miteinander zu tun haben wie der fette Neurusse & Depardieu-Obelix mit der neusten Weight-Watchers-Diät in der Entzugsklinik für notorische Säufer.
Bleibt also am Ende nur noch eine Hoffnung, um nicht gänzlich durch den musikalischen Rost in die unendliche Musikbelanglosigkeit zu fallen – nämlich der Gesang von SÖREN BÄR, der mit seinen lyrischen Ergüssen bisher höchstens seinem Nachnamen alle Ehre gemacht hat. Und die (wahrscheinlich) Selbstbeschreibung unter facebook lässt da ein wenig hoffen: „Frontmann, Sänger und Songwriter […] ist ein Ausnahmevokalist mit einem einzigartigen, schönen, psychedelischen und ausdrucksstarken Gesang, der seinesgleichen sucht.“ Ganz genau! Solcher Gesang sucht wirklich „seinesgleichen“, aber nicht im positiven Sinne. Dieser singende Mann aus Deutschland, der wohl sogar über Doktoren- und Professoren-Titel verfügt, vergleicht sich sogar mit DAVE GAHAN von DEPECHE MODE, MARIAN GOLD von ALPHAVILLE oder DAVD BOWIE. Er möchte so singen wie sie, aber am Ende klingt er mehr nach dem Froschkönig, der seiner goldenen Krone, die ihm in den Brunnen gefallen ist, hinterherquakt. Puh, würde der Sören doch wenigstens so brummen wie ein Bär, dann wäre das alles vielleicht noch erträglich. So ist es aber nur ein weiteres Produkt im Museum der musikalischen Peinlichkeiten geworden, selbst wenn das <a href=" http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=2CJ6eTeXMLU " rel="nofollow">“Share My Desire“-Video</a> von seiner Machart her noch ein klein wenig punkten kann.
FAZIT: „The Tales Of Dorian Gray“ haben nichts mit dem Schriftsteller OSCAR WILDE und noch weniger mit guter Musik zu tun. Hier gibt’s Electro-Pop mit Finstermann-Allüren zu hören, der ein wenig die Atmosphäre einer Schulband verbreitet, die sich an den Songs von ALPHAVILLE und DEPECHE MODE abarbeitet und dabei einen verdammt finsteren, unwiderstehlichen Blick aufsetzt.
Punkte: 3/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.01.2013
Daniel Dexter, Werner Kunschke
Sören Bär
Werner Kunschke, Daniel Dexter, Christoph Abée, Daniel Dexter
Daniel Dexter
Olaf Schuller (Drum Programming)
Eigenvertrieb
52:31
16.11.2012