Ein paar Schwedenthrash-Kenner werden sich bestimmt noch an ROSICRUCIAN aus den Neunzigern erinnern, die mit zwei sehr variablen, mutigen Thrash-Alben zeigten, dass es auch ohne stumpfes Stakkatoriffing und Proll-Image möglich war, dem Zuhörer eins nach dem anderen überzubraten.
Nach dem Ende jener Band haben sich die Gründer Lindén und Söderman zusammen mit Jens C. Mortensen allerdings auch in moderneren Sounds versucht und mit dem Quasinachfolger SLAPDASH ein sehr groovelastiges Album und eine EP auf den Markt gebracht. Doch dem „echten“ Thrash wollte man trotzdem nicht abschwören, und so ging es erst mal mit CARNAL FORGE weiter - doch jene als Hobby- beziehungsweise Spaß-an-der-Freude-Band gedachte Truppe wurde recht bald erfolgreicher als die eigentlich zielgerichtetere Band LEECH, und so versanken die Songs erst einmal im Nichts.
Auch die anderen Musiker gingen zahlreichen Verpflichtungen nach, aber offensichtlich dachten sich die LEECH-Köpfe, dass es nicht sein kann, dass die „Cyanide Christ“-Songs unentdeckt bleiben - also fasste man sich 2013 endlich ein Herz, grub die Nummern wieder aus und zimmerte sie in Eigenregie ein. Das Ergebnis klingt trotz des Alters der Songs unverschämt taufrisch - fast könnte man meinen, hier hat eine blutjunge Band Bock auf den guten alten Thrash.
Selbst die letzten beiden überraschend starken ACCU§ER-Scheiben oder das letzte Werk der einigermaßen wiedererstarkten TESTAMENT können zu keiner Zeit an „Cyanide Christ“ anstinken, denn LEECH donnern mit einer solchen Präzision, Energie und Spiellust ihre elf Kompositionen runter, dass man sich prompt wieder zwanzig Jahre jünger fühlt.
Edle Riffs, teilweise doppelläufig abgefeuert, wechseln sich mit feinen Melodien ab, liebevolle Soli schmeicheln den Ohren, Uhrwerkdrumming hackt das Gemüse und das Fleisch in akkurate Würfel, und Schreihals Jens C. Mortensen singbrüllt schön rau und nicht ohne Melodie in sein Mikro, wie es seinerzeit schon Uffe Petersson bei ROSICRUCIAN sehr ähnlich tat. Das mag alles nicht innovativ sein, aber es klingt so herrlich ehrlich. Es klingt nach Passion, nach Bock, nach Enthusiasmus, ja nach Hummeln im Hintern - denn letztendlich hätten sämtliche Musiker genug mit ihren anderen, eigentlichen Bands zu tun und müssten sich nicht noch mehr Arbeit aufhalsen. Man muss sich demnach nicht die Frage stellen, ob diese Platte aus einem anderen Grund außer Idealismus veröffentlicht wurde.
FAZIT: Immer, wenn man denkt, aus einem Genre sei nun wirklich nichts mehr zu erwarten, kommen solche Klopper aus dem Nirgendwo. Danke, LEECH, danke für dieses fiese kleine Nackenfresserchen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.04.2013
Lars Lindén
Jens C. Mortensen
Magnus Söderman, Jari Kuususto
Stefan Westerberg
LL Production
43:47
14.04.2013