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Mit Sequels ist das so eine Sache, nicht nur bei Filmen, sondern auch in der Musik. Einige Bands sind damit schon grandios gescheitert, allen voran die ehemals unangreifbaren QUEENSRYCHE mit dem zweiten Teil von "Operation Mindcrime".
Ob das 96er "Lingua Mortis"-Album in der RAGE-Diskografie einen ähnlichen Stellenwert hat, sei dahingestellt. Zweifellos handelte es sich dabei allerdings - nicht nur für den damaligen Zeitpunkt - um eine der gelungensten Kooperationen zwischen Metal-Band und klassischem Orchester. Insofern hängt die Meßlatte für den 013er-Versuch ziemlich hoch.
Kommen wir zunächst zu den offensichtlichen Unterschieden. Peaveys metallische Begleitmannschaft steckt die damalige Besetzung technisch locker in die Tasche, das Zusammenspiel zwischen Band und Orchester wirkt wesentlich perfekter, die Übergänge sind nahtloser und auch der Sound ist natürlich wuchtiger, bombastischer und absolut schwankungsfrei. Im Gegensatz zum ersten Versuch gibt es heuer fast nur neues Material zu hören, mit Ausnahme zweier Songs vom ersten RAGE-Album unter Beteiligung von Guitar-Hero Smolski "Welcome To The Other Side" (2001), das damals wegen des suboptimalen Klangs harsche Kritik einstecken musste.
Doch trotz wesentlich mehr Hochglanz erreicht der aktuelle Versuch nicht den Tiefgang des Originals. Während damals die RAGE-Melodien von den Orchester-Musikern bzw. Christian Wolff auf eine ganz eigene Weise interpretiert wurden und die Songs ganz anders klangen als im Original, kommen 2013 die klassischen Instrumente nur selten alleine zum Zug, setzen wenig wirklich eigene Akzente und es bleibt ihnen häufig neben den harten Riffs und Double-Base-Attacken nur die Statisten-Rolle. Die Einsätze der beiden Sängerinnen sind sicherlich Geschmackssache, mir gefällt weder die Sopran- noch die Musical-Stimme besonders gut, da es dem Ganzen einen latenten NIGHTWISH-Touch verleiht. Für die Umsetzung der wenig originellen Story (Hexenverfolgung in Gelnhausen im 16. Jahrhundert) mag das allerdings Sinn machen.
Kommen wir schließlich zu den Songs. Wer die letzten RAGE-Alben mochte, wird auch mit dem neuen Material klarkommen, das auch problemlos ohne Orchester funktionieren würde. Am besten gefallen mir der epische Opener "Cleansed By Fire", das brettharte "Scapegoat" sowie das etwas ruhigere "Afterglow". Knackige Riffs, großartige Soli und dazwischen immer wieder klasse Gesangsmelodien von Herrn Wagner, wenn auch mit einem gewissen "Wiedererkennungswert". Alles wie gehabt, bis auf einen Total-Ausfall, denn "Lament" pendelt auf einer komfortablen Schmalzschicht zwischen Musical-Schmachtfetzen-Duett und Kitsch-Klassik, lyrisch absolut jenseits der Schmerzgrenze. Kurz und gut, ein Punkt Abzug.
Die beiden schon erwähnten bekannten Songs klingen im polierten Orchester-Gewand tatsächlich überzeugender als im Original, an die 96er Versionen der alten RAGE-Gassenhauer wie "Don´t Fear The Winter" oder "Firestorm" kommen sie aber bei Weitem nicht heran.
FAZIT: Den Charme des Originals erreicht die aktuelle Version des Lingua Mortis Orchesters nicht. Es bleibt ein typisches RAGE-Album der Smolski-Phase mit verstärktem Einsatz klassischer Instrumente und – bis auf einen Rohrkrepierer – auch etwas besserem Songmaterial als zuletzt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.08.2013
Peavy Wagner
Peavy Wagner, Jeannette Marchewka, Dana Harnge
Victor Smolski
Andre Hilgers
Nuclear Blast/Warner
65:25
02.08.2013