Na!?
Mal wieder darüber geärgert, dass einen die auf bedrückend getrimmte Nächstenliebe-Weihnachtsrede unseres immer verlogener erscheinenden Bundespräsidenten Gauck, dem Freiheitsprediger und blödsinnigen Ami-Anbeter, eher Kotzen als in sich gehen lässt. Dass Trauer tatsächlich schon zu einer Ware verkommen ist, die man gut vermarkten und politisch super zu jeder Gelegenheit verramschen kann?
Warum schaffen wir es eigentlich kaum noch, mal diesen beschissenen Fernseher zu Weihnachten auszulassen und tatsächlich in uns hinein zu hören?
Ganz einfach! Wahrscheinlich hören die meisten von uns nichts mehr in sich – wo schließlich so viel um sie herum passiert. Wir haben mit Hilfe dieses permanenten Informationsüberflusses, mit dem wir Tag für Tag zugeballert werden, verlernt, uns in unser eigenes Inneres fallen zu lassen und in der Dunkelheit, die sich darin auftut, zurechtzufinden. Wir suchen nicht mehr, weil wir glauben, alles gefunden zu haben. Darum finden wir uns gut, solange Andere uns gut finden und begraben unser eigenes Ich in uns selbst. Eigentlich traurig, dass uns die dunklen Momente im grellen Neonlicht abhanden gekommen sind – doch manchmal erscheint am Horizont ein Licht, das unser eigenes, immer trauriger erscheinendes Ich in uns aufzuspüren versucht. Dieses Licht nennt man Musik. Allerdings muss es eine ganz besondere Musik sein. So wie die von LLOYD WILLIAMS zum Beispiel.
Es sind die dunklen Momente, die dunklen Bilder, die dunklen Töne, die ein LLOYD WILLIAMS zum Leben erweckt und die ihn wohl selber auch zum Leben erwecken. Er ist ein Musiker, der in der grellen Farbwelt nach den Schwarz-Weiß-Tönen sucht und sie findet. Noch mehr, er verleiht ihnen die Schönheit, welche die überall strahlenden Farben ganz locker verblassen lässt.
Etwas böse, traurig und nachdenklich blickt einem beim Öffnen des Digi-Packs LLOYD WILLIAMS entgegen, so als würde er ausdrücken: „Vertraue nicht auf das, was du siehst. Schärfe deine Sinne und blicke lieber in dich. Was du um dich herum erblickst, ist Fassade. Was du um dich herum spürst, ist realer als alles, was deine Augen wahrnehmen.“ Die Weisheit von Exuperys' „Der kleine Prinz“ lebt in der Musik von „Time“.
Williams ist ein britischer Gitarrist, Sänger und Liedermacher, der in England beinahe schon Kultstatus genießt, da er auf sehr ungewöhnliche Art Gitarre und Banjo spielt und dabei klassischen Brit-Folk mit düsterem Americana vereint. Besonders eindrucksvoll kommen seine instrumentalen Fähigkeiten bei dem dreiminütigen Instrumental „No Silence Left“ zum Ausdruck. Aber auch vor Kirchenorgel und Drehleier schreckt Williams nicht zurück und verleiht damit seiner Musik sogar einige sakrale Momente, die sich klangvoll entfalten und dabei eher die Düsternis seiner Songs betonen und unterstreichen, als ihnen lichte Momente zu verleihen. Mit einer Vielzahl von Streichern treibt er dann in einigen Liedern dieses Gefühl dermaßen auf die Spitze, dass einem beim Hören ein Weltschmerz überkommt, der sich zwischen todtraurig und zu Tode betrübt bewegt.
LLOYD WILLIAMS besitzt einen scharfen Blick und die musikalische Aura, welche an den hellen Orten garantiert nach den Schattenseiten suchen – und ähnelt damit besonders einem NICK DRAKE oder SCOTT WALKER, mit denen er sich musikalisch und textlich gleichrangig gemeinsam in einen klangvollen, faszinierenden Schatten stellen darf. Die Sonnenseiten besingen so viele – besonders diejenigen, die meist gar nicht wirklich singen können. Die dunkle Seite überlässt man doch besser den gefühlvollen Könnern. Solchen Typen eben wie einem LLOYD WILLIAMS, der auch noch eine zweite außergewöhnliche Gabe besitzt: seine Stimme. Eine Stimme, die mir ein regelrechtes Deja vú bereitete, als ich sie das erste Mal hörte. Erinnerte sie mich doch tatsächlich an einen Musiker, der mir vor ein paar Jahren als Support-Act von THE DIVINE COMEDY das ganze Hauptkonzert regelrecht wie billiges Beiwerk erscheinen ließ, nachdem er gemeinsam mit einem Schlagzeuger und seiner klanggewaltigen Stimme alles auszuloten verstand, was außergewöhnliche Musik ausmacht: Tiefe, Melodie, Leidenschaft, Charisma und das Geschenk (m)einer Gänsehaut ab der ersten Minute seines Auftritts. DUKE SPECIAL sein Name – ein Name, den ich nie vergessen werde und der mir durch LLOYD WILLIAMS sofort wieder in den Sinn kam. Bei „Who's The One“, „Buy Me Friends“ und „We Woke Up“ zumindest klingt er glattweg wie der vokale DUKE SPECIAL-Zwillingsbruder.
Auch produktionstechnisch gibt es eine echte Besonderheit bei „Time“ zu vermelden. Der Albumtitel lautet nicht nur genauso wie ein Song von PINK FLOYDs „Dark Side Of The Moon“ - „Time“ wurde auch von JOHN WOOD produziert, der bereits mit besagten PINK FLOYD oder FAIRPORT CONVENTION sowie CAT STEVENS zusammenarbeitete und sogar für die komplette Produktion von drei NICK DRAKE-Alben verantwortlich war. Genauso klingt nun auch „Time“ - wie ein Rückblick in die 70er Jahre unter den Bedingungen modernster Studiotechnik verwirklicht.
Vergesst jede besinnlich anmutende Weihnachtsansprache eines GAU(C)KlerS, der aufgesetzt anmutender Nächstenliebe-Mief anhaftet und nur nach hohlen lamettaverzierten Phrasen klingt. Trauert lieber in den höchsten Tönen mit LLOYD WILLIAMS – denn hier klingt jeder Ton verdammt ehrlich, aber nur wenig besinnlich und garantiert nicht verlogen.
Das hört man!
FAZIT: Weihnachten ist vorbei – das neue Jahr geht zuende. Doch 2014 erwartet uns bereits mit seiner ersten musikalischen Großtat. „Time“ ist auf der Höhe der Zeit, selbst wenn's nach den traurigen Songwriter-Großtaten der 70er Jahre klingt und jene Fragen stellt, die uns abhanden gekommen sind, nachdem der Kleine Prinz wieder Richtung B612 abgeflogen ist!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.12.2013
Ashly Strange
Lloyd Williams
Lloyd Williams
Tom Swann, Chis Blakey
Jarath Tait
Rossana Schwarzacher & Bella Emerson (Cello), Simon Walker (Violine und Streicher Arrangements)
Beste! Unterhaltung / Broken Silence
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03.01.2014