Mit einem fetten Bonus landen NEBELKRÄHE auf dem Rezensionstisch. Das Artwork zeigt die Band in einer unwirklichen Umgebung unter alten Straßenlaternen. Der Vordergrund wirkt steril und unangenehm scharf, im Hintergrund lässt sich schemenhaft im Nebel die Silhouette einer Stadt erahnen. Die Ästhetik erinnert an AKERCOCKE und macht Lust, den Drittling dieser Münchner Band kennenzulernen. Der Anspruch von NEBLKRÄHE an sich selbst ist den Bildern entsprechend hoch. Acht überlange Titel hat der Fünfer für „Lebensweisen“ eingespielt, und keiner davon ist im einfachen Strophe-Refrain-Schema gehalten.
Grundlage für den Sound von „Lebensweisen“ ist klassischer 90er Jahre Black Metal mit rauher und dennoch klarer Produktion. Selten erreichen NEBELKRÄHE Hochgeschwindigkeit, sie verlegen sich eher auf atmosphärische Breaks mit Akustikgitarren und Klavier. Zusammen mit dem vielseitigen Geschrei von umbrA entsteht eine nachdenkliche bis ernüchterte Stimmung, die hin und wieder auch beklemmend oder bedrohlich wird.
Dazu kommen verschiedene stilistische Einflüsse, die oft ordentlich durch Breaks abgetrennt eingeschoben werden. Richtig gelungen ist in diesem Punkt „Mut und Demut“ mit einem richtig originellen Rockabilly-, Surf-, Wasauchimmerteil und einem arabischen Drumpart. Auch der plötzlich aus dem Nichts auftauchende kleine Choreinsatz zu einem Walzer auf dem Klavier, der in „Lebenswaisen“ Filmmusik-Flair aufkommen lässt, setzt positive Akzente. Vermutlich kann man als ernsthafte Black Metal-Band nicht permanent solche Einlagen bringen, doch um es vorwegzunehmen: Wenn NEBELKRÄHE verstärkt auf solche Passagen setzen würden, wäre ihnen eine Sonderstellung in der Szene sicher.
Die restlichen progressiven Teile gibt es so oder so ähnlich auch von der deutschsprachigen Konkurrenz, zu der die üblichen Verdächtigen wie GRABNEBELFÜRSTEN und NOCTE OBDUCTA gehören. Mag es nun das krampfhafte Suchen nach Originalität oder kompositorisches Unvermögen sein: NEBELKRÄHE können hinken genannten Bands über weite Strecken hinterher, weil sie es entweder nicht schaffen, den Spannungsbogen zu halten, oder weil der Musik die Schlüssigkeit fehlt. Konkretes Beispiel ist der Aufbau der meisten Riffs. Da sägen die Gitarren einstimmig eine mehr oder weniger tonale Melodie, doch anstatt diese mit einer gegenläufigen Bassline harmonisch zu verorten, macht verdreifacht Bassist Kar das Ganze mit sehr präsentem Spiel auch noch. Damit verpufft die Chance, die Musik mehrdimensional auszuformen. Da, wo Akkorde doch einmal erkennbar werden, entsteht immer wieder der Eindruck, als fehle den Musikern das Gespür für harmonische Zusammenhänge. Natürlich ist es begrüßenswert, wenn sich Bands auf die Suche nach neuen harmonischen Wendungen machen, doch ist es in unserem Tonsystem mit in Jahrhunderten erwachsenen Hörerwartungen einfach so, dass einige Akkordfolgen einfach so klingen, als würden sie eiern oder nicht richtig passen. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass man derartige Musik als unangenehm schräg oder dilettantisch empfindet, bei NEBELKRÄHE ist es eher das Abrutschen in einen Einheitsklangbrei. So verliert sich die Band oft schon nach der Hälfte der Songs im Nebel und es bleibt fraglich, wo sie denn nun eigentlich hin wollte.
FAZIT: NEBELKRÄHE verfolgen textlich und von der musikalischen Grundidee her auf „Lebensweisen“ ein anspruchsvolles Konzept, das sich nicht hinter den aktuellen Werken führender deutscher Schwarzmetallkünstler zu verstecken braucht. Musikalisch, insbesondere bei den Arrangements wird es noch einige Zeit dauern, bis hier ein richtig gutes Resultat herausspringt. Das Gleichgewicht der Instrumente ist nicht austariert, die Ideen bisweilen verunglückt und noch sehr holprig umgesetzt auch technisch bleibt noch Luft nach oben. Dennoch eine Truppe, die man im Auge behalten sollte!
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.02.2013
Kar
umbrA
Morg, Euphorion
Latrodectus
Mighty Music
68:46
18.02.2013