In den Jahren nach der Veöffentlichung von "Today Is A Good Day" hat die NEW MODEL ARMY kräftig Scheiße fressen müssen. Man möge den Kraftausdruck verzeihen, aber anders kann man es kaum nennen, wenn erst der Manager unerwartet verstirbt, dann ein Teil des Equipments und des Bandarchivs einem Studiobrand zum Opfer fällt und dann auch noch das übrige Equipment gestohlen wird. Nachdem dann auch noch Bassist Nelson nach über 23 Jahren die Segel strich, stand die Band um Mastermind Justin Sullivan quasi vor dem Nichts. Was bleibt also anderes übrig, als einen Neuanfang zu starten? Mit dem neuen Bassisten Ceri hat man sich an das zwölfte Studioalbum gemacht und dabei herausgekommen ist die ungewöhnlichste NEW MODEL ARMY-Platte seit langem - oder gar überhaupt?
Schon beim Opener "Horsemen" wird die Marschroute deutlich. Der reduziert wirkende Song, den die Band auch schon lange vor Albumveröffentlichung live gespielt hat, wird von rhythmischen Trommeln und Perkussionselementen, Justins Stimme und permanenten mhm-mhm-Gesängen im Hintergrund getragen. Gitarren werden in dem eindringlichen Song mit seinem einprägsamen Refrain nur sehr spärlich eingesetzt. Dieses Muster zieht sich beinahe durch das ganze Album, klassische Rocksongs sind hier merklich in der Unterzahl. So ziemlich alle Songs leben von der Rhythmusarbeit, die nicht nur auf normalen Drums, sondern auf allen möglichen Trommelarten verrichtet wird. Die Gitarren werden in vielen Stücken sehr akzentuiert eingesetzt, statt dass sie permanent begleiten. Dadurch wirken die Songs zunächst einmal reduziert, was sie letztlich aber nicht wirklich sind, weil die Arrangements trotz allem sehr detailreich sind. So gibt es viel an ungewöhnlichen Sounds und Effekten zu entdecken, zudem fällt auf, dass sehr viel mit Backgroundgesangs-Arrangements gearbeitet wird. Dass das Album trotz dieser Herangehesweise nicht dünn oder unrockig klingt, liegt am sehr druckvollen Sound, den man wohl auch Joe Baresi zu verdanken hat, er hat "Between Dog And Wolf" abgemischt.
Das dem Opener folgende "March In September" ist an sich ein eher typischer NMA-Song, bei dem auch mal wieder eine Geige zu hören ist, auf jedem anderen Album wäre er aber mit viel mehr Gitarren ausgestattet gewesen. Mit seinen sehr markanten Textzeilen und Gesangslinien entwickelt sich das tolle "Seven Times" schnell zum Ohrwurm mit fuzzigen Gitarren, während in "Did You Make It Safe?" zum Wechselgesang von Sullivan und den Backgroundstimmen wieder sehr viel getrommelt wird und die Keyboards einen atmosphärischen Soundteppich auslegen. "I Need More Time" klingt, als würde Justin Sullivan zu einem MASSIVE ATTACK-Song sprechsingen, erst zum Ende gibt es einen rockigen Ausbruch. "Pull The Sun" bleibt im gesteckten Rahmen eher unauffällig, während das herrlich melancholische "Lean Back And Fall" mit deutlich mehr Gitarren all jene beruhigt, denn das bisher gebotene zu experimentell war.
"Knievel" ist eine starke, düstere Nummer, bei der Sullivan zur Akustischen singt, mit "Storm Clouds" folgt der wohl härteste Song des Albums, eine wiederum düstere, drückende Nummer, die am Ende mit einem lupenreinen Blastbeat überrascht. Der Titeltrack baut sich gemächlich und atmosphärisch auf und ist dann ein zurückhaltender Rocker mit markantem, typischem Refrain. Auch hier merkt man, dass der Song auf einem anderen Album sicher anders geklungen hätte. Dem Titel entsprechend, kommt "Qasr El Nil Bridge" nicht nur mit orientalischen Harmonien, sondern auch mit einem Flamenco-artigen Rhythmus daher, bleibt trotzdem klar als NMA-Song erkennbar. Ebenso wie "Tomorrow Came", das klassische Gesangslinien zu getragen rockenden Gitarren aufbietet. Mit schwermütiger Americana-Note und Bläsersounds fällt "Summer Moors" wieder aus dem Rahmen, das abschließende "Ghosts" hat gar jazzige Sounds auf Lager.
FAZIT: Der Mut, mit dem NEW MODEL ARMY hier zu Werke gehen, ist bewundernswert. Doch auch wenn "Between Dog And Wolf" klar das experimentellste Album der Briten ist und man selten so wenige Gitarren auf einem ihrer Alben gehört hat, fällt es gar nicht so schwer, sich daran zu gewöhnen, allein schon deshalb, weil man darauf verzichtet hat, den markanten Gesang zu verfremden. Auch hatte die Band vorher schon immer mal wieder Songs, die aus dem Rahmen fielen, nur halt nicht in dieser Menge. Man muss dem Album zwar ein bisschen Zeit geben, doch dann blüht es auf und zeigt seine detailreiche Pracht.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.10.2013
Ceri Monger
Justin Sullivan
Justin Sullivan, Marshall Gill
Dean White
Michael Dean
earMUSIC/Edel
63:39
20.09.2013