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Nezzer: Red Plastic

Stil: Indie

Cover: Nezzer: Red Plastic

Beim Aufräumen des Kellers fielen mir kürzlich über 25 Jahre alte Schülerzeitungen in die Hände. Angesichts der so möglichen Zeitreise blieb der Keller natürlich auch weiterhin ein organisiertes Chaos – statt Kisten packen war Schmökern angesagt. Und in Erinnerungen schwelgen. Von den dauerbekifften Kumpels, den Themen, die einen Schüler seinerzeit bewegten – und von der Musik, die man damals hörte. Es gab Mitte/Ende der 80er Jahre sogar Plattenfirmen, die Schülerzeitungen mit Schallplatten bemusterten – those were the days.

Beispielsweise SPV, die den adoleszenten Plattenkritiker mit reichlich Punk- und Indierock-Scheiben versorgte. THE WALTONS, FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE und ähnliches. Und genau in dieses Raster würden auch NEZZER passen, die mit „Red Plastic“ ein durch und durch 80er-Jahre-kompatibles Indierockdebüt eingespielt haben. Sänger Tifty weckt mit seiner düster-monotonen Stimme Erinnerungen an JOY DIVISION und die SISTERS OF MERCY, die Gitarrenfraktion hat wunderbar perlende, endlos weit klingende Breitwandriffs auf Lager, die an die HEROES DEL SILENCIO oder U2 (als sie noch relevant waren – also in den 80er Jahren) angelehnt sein mögen. VELVET UNDERGROUND, THE CURE, PIXIES und IGGY POP könnte man auch noch nennen als mögliche Inspirationsquellen – „Red Plastic“ hat viele Väter. Und wenn Songs wie „Matt“ rotzig daherkommen, streuen NEZZER auch noch eine Spur Punk in die mundende Suppe.

Qualitativ stehen die elf Songs dabei weitgehend auf einem soliden bis bombensicheren Fundament, bieten unaufdringliche Melodien bei dennoch reichlich Drive. Vor allen Dingen die erste Hälfte des Albums – das stilgerecht als 180-Gramm-Vinyl mit CD sowie als MP3-Download zu haben ist – enthält mit „Radio“, „Control“, „Send Me Out“ und „Wasted“ vier glasklare Hits. Und auch wenn mit bereits erwähnten „Matt“ die zweite Hälfte einen weiteren 100-Prozent-Volltreffer beinhaltet, wirkt die B-Seite etwas uninspirierter, nicht ganz so kompakt und zwingend.

FAZIT: Zugegeben, in jeder Hinsicht braucht man ein 80er-Jahre-Revival nur sehr bedingt. Oder wer vermisst ernsthaft die Kleidung, die wir damals trugen, wer wünscht sich ein Comeback der damals üblichen Frisuren? Aber musikalisch waren die 80er unbestritten ein Jahrzehnt der Großtaten. NEZZER hätten damals bestens auf ein Label wie SPV gepasst. Zum Glück: Auch im 21. Jahrhundert wirken sie alles andere als deplatziert.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.01.2013

Tracklist

  1. Radio
  2. Control
  3. Send Me Out
  4. Red Plastic
  5. Wasted
  6. Lipsticks
  7. And I
  8. Insight
  9. Lord Of Lies
  10. Matt
  11. Dirt

Besetzung

  • Bass

    Murphy

  • Gesang

    Tifty

  • Gitarre

    Philipp, Timo

  • Keys

    Matze

  • Schlagzeug

    Hoffi

Sonstiges

  • Label

    Timezone

  • Spieldauer

    38:02

  • Erscheinungsdatum

    05.08.2011

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