Was vom Cover her wie ein halbgarer Hit-Sampler aus der Grabbelkiste aussieht, entpuppt sich beim Hören als auf der Höhe der Zeit rangierende Jazz-Scheibe, die nicht nur dank eines kleinen Unterschieds in der Besetzung einen großen Unterschied im Vergleich zum Einerlei nicht weniger anderer Ensembles macht.
Die Verbindung aus Tenor- und Altsaxofon mutet nicht sonderlich ungewöhnlich an und ist es wohl auch nicht, doch Lohmann und Flick spielen sich die Bälle einerseits zu wie Bird und Diz zu besten Zeiten, lassen die Musik des Namensgebers aber insofern modern klingen, als ihre Lines einander ergänzen wie typische Trade-offs von Solo-Gitarristen im Rock-Bereich. Hinzu kommt der klanglich geschmackvoll eingefangene Punch von Drummer Backhaus, das agile Bassspiel von Muellbauer (verboten funky in "Bom Bom") und die Melodie-Seligkeit der Kompositionen generell, wobei man die Länge einiger davon (Titelstück) überhaupt nicht als solche empfindet.
So wird "Miraculum" auch für Nicht-Jazzer zu einer empfehlenswerten Scheibe, denn die "Riffs" der Combo sind ebenso eingängig ("I've Got Another Chord" nimmt an erster Stelle für seine Macher ein), wie sie das Innere berühren, sei es durch die wunderschönen Balladen "Danke" (Pianist Bandorf im Zeichen von Oscar Peterson) sowie "Paul's Song" (Percussions zum Staunen unterm Kopfhörer) oder unter Hinzunahme neuer Klangfarben wie Lohmanns virtuoser Flöte während "You Happy Thing", dem Anspieltipp schlechthin. Das sprunghafte Doppel aus "Loopster Journey" (Basssolo!) und "Under Stormy Clouds" ergänzt das lyrisch entspannte "Goal" und die überraschende Fusion-Koketterie (aufgrund des kitischigen Synthesizers) "Pusteblume" als Preziosen vom Wegrand der bei der Konkurrenz häufig allzu geradlinigen Genre-Straße.
FAZIT: "Miraculim" ist in der Tat ein Wunder, erwirkt jedoch mit naheliegenden Mitteln. Dies kann - ob in diesem Genre oder anderswo - nur funktionieren, wenn offene wie empfindsame Geister am Werk sind. Nico Lohmann und seine Band spielen eine seltene Form von akustischer Musik, die auch im Lager von Fans elektrifizierter und auf konventioneller Riffs beruhender Sounds Freunde finden kann - eine der bislang schönsten Jazz-Scheiben des Jahres.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.03.2013
Marc Muellbauer
Claus-Dieter Bandorf
Tobias Backhaus
Nico Lohmann , Birgitta Flick (Saxofon)
Unit / Harmonia Mundi
63:36
22.03.2013