Die Zwölfzoll-Single versprach schon spannende Musik, und auch wenn der Einstand von NOCTURNAL in Deutschlands größtem Metal-Magazin oberflächlich abgewatscht wird, ist die selbstbetitelte Scheibe richtig gut geworden.
Das Quartett ist retro, sicher, aber der Sound von "Nocturnal" wurde nicht krampfhaft auf alt gebürstet, vor allem aber nicht kategorisch verzerrt beziehungsweise bewusst durch die Mülltonne gezogen. Drummer Dennis beherrscht nicht nur einen relaxten Shuffle ("One Of A Kind", die starke Single-B-Seite), der in vom Computer dominierten Studios heuer als "untight" gelten würde, sondern klopft auch auf den Punkt genau, wenn es sein muss.
Im ersten Teil zu "Cursing The Mindless" sorgt eine Orgel für Prog-Flair, wohingegen der Rattenschwanz die hauptsächliche Idee des Stücks in eine sich wiegende Ballade umdeutet. "Demons" hingegen geht als typischer Song aus der zweiten Reihe durch, da die vom Gesang dominierte erste Hälfte weniger zudringlich ist und einzig das ausladende Gitarrensolo am Ende rechtfertigen soll.
Der eröffnende Proto-Blues "Insecure", das forsche "Satan's Shuffle" einer- sowie der taumelnde Doomer "Cursing The Mindless" - wo man hinhört, kann man sich nicht vor griffigen Refrains retten, gleichzeitig da NOCTURNAL auf ihren Instrumenten wenig anbrennen lassen. Statt behäbig zwölf Takte zu nudeln und sich hinterher zu wiederholen, überführen die Musiker alte Konzepte in einen frischen Kontext, wie es sich gehört.
Das mystische "Evil Times" und das ebenso luftige "Feels Like A Lie" sprechen eine andere Sprache, sind kein speckiger Seventies-Hardrock, sondern surfern auf der Psych-Pop-Welle des vorangegangenen Jahrzehnts, ohne an der Kraft einzubüßen, die NOCTURNAL ansonsten spielen lassen, auch weil ihnen wenig am Schmelz von beispielsweise Harmoniegesängen zu liegen scheint.
What you hear is what you get - weder aufgeblasene Opulenz noch zum Klischee verkommene Reduktion. In dieser Hinsicht ähneln die Schweden den zu Indie-Major-Ehren gekommenen Amerikanern SCORPION CHILD.
FAZIT: Ob alte oder neue Sounds beziehungsweise Songstrukturen - die Macher von "Nocturnal" setzen zu ihren Zwecken ein, was immer ihnen gefällt, und kommen am Ende dennoch bei einem stringenten, irgendwie zeitgemäßen Sound heraus, für welchen sich zwischen BLUE CHEER und 13TH FLOOR ELEVATORS eine Menge Fans finden lassen dürften.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.05.2013
Max
Linus
Kalle
Dennis
Gaphals
37:51
10.05.2013