PARADOX reloaded. Im Januar 2010 verkündete Bandkopf Charly Steinhauer die Trennung von Gitarrist Kai Pasemann und Schlagzeuger Roland Jahoda aufgrund von Differenzen über die musikalische Ausrichtung der Band. „Tales Of The Weird“ ist die klingende Begründung für diesen Schritt und legt die Vermutung nahe, dass Steinhauer die penetrant bemühten Vergleiche mit der großen US-Band mit dem "M" allmählich leid war.
Sofort nach dem akustischen Intro setzen sich PARADOX in eine andere Ecke der Thrash-Kneipe und in direkte Tischnähe zu BLIND GUARDIAN und KREATOR. Der alte, punkige 80s-Thrash wird bis auf „Escalation“ aus dem Sound der Würzburger verbannt. Das hat verschiedene Folgen, klar ist zunächst aber mal: Die Jungs haben nichts von ihrer Power verloren. In Erinnerung bleibt vor allem das kurzweilige Eröffnungsdoppel sowie das recht straight geratene „Slashdead“, welches aggressiv und zugleich melodisch Mille und Hansi Kürsch die Hand zum Tanz reicht.
Für die Durchschlagskraft sorgt auch der muskulös-moderne Sound, der sich allerdings auch nachteilig auswirkt. Die meisten Noten der schnellen Riffs gehen in der komprimierten Rhythmuswalze unter und werden nicht recht erfassbar. Die Folge sind immer wieder Passagen, die mangels Melodien oder Hookline gegen die starke Konkurrenz abstinken. Doch auch vom Soundproblem abgesehen sind die Riffs und Übergänge selten so markant wie im Albumhighlight „The Downward Spiral“.
Auch das ist wohl eine Folge der Umbesetzung. Mit Christian Muenzner ist Deutschlands derzeit meist beschäftigter Metalgitarrero an Bord, der seine Wurzeln auf seinem gefühlt zehnten Album des Jahres nicht verleugnen kann und es wohl nach Wunsch des Cheffe auch nicht soll. So haben die meisten Songs auch einen progressiven Anteil, der meist nach OBSCURA klingt, in „Brainwashed“ gibt’s auch mal ein astreines CONTROL DENIED-Break. Die Teile der alten Alben, in denen die Band als Mannschaft mehrdimensionale, bunt thrashende Landschaften schuf, sind jedoch großen Spielplätzen für den Sixstring-Vorturner gewichen. Das ist bedauerlich, denn trotz aller Kunstfertigkeit klingt diese Sportschau im Vergleich weniger originell.
FAZIT: Es scheint, als müssten sich PARADOX in diese modernere Thrash-Spielart erst einfinden. Die Songs holpern streckenweise noch und enthalten zu wenig Eigenes. Guter Durchschnitt für einen Neuanfang. Das gilt auch für das abschließende RAINBOW-Cover. Wer aber weder einen instrumentalen Offenbarungseid in der Tasche hat, noch die Reinkarnation von Ronnie James persönlich ist, sollte so was vielleicht gleich sein lassen.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.01.2013
Olly Keller
Charly Steinhauer
Christian Muenzner, Charly Steinhauer
Daniel Buld
AFM Records
54:58
14.12.2012