Klassiker zu schreiben und einzuspielen kann so einfach sein: Je eine Prise DISCHARGE ("Subtract") und MOTÖRHEAD (sogar in Roy Buchanans "Short Fuse") auf eine Menge Alkohol, andere Rauschmittel und jede Menge ungesundes Essen als Eingeständnis an den amerikanischen Livestyle, den die um 1980 gegründeten POISON IDEA eigentlich verachteten. Dass dies ihre vordergründige Motivation war, hört man "Kings Of Punk" (der Titel war nicht nur für 1986 ein Understatement) zu jeder Sekunde an.
Nach ihrem Comeback im vergangenen Jahr haben sich die Hipster von Southern Lord der Hardcore-Legende aus Portland angenommen und veröffentlichen diesen Wegweiser mit neuem Mastering, Liner-Notes, Fotos und allen weiteren Schikanen. Songs aus drei verschiedenen Live-Sets auf einer zusätzlichen CD hieven die Gesamtspielzeit nicht einmal auf eine Stunde, aber die macht so satt, wie es eine Handvoll neuzeitlicher Genre-Scheiben nicht tun.
POISON IDEA sind brutal und wütend, aber nicht stumpf, sondern trotz klar überschaubarer Ausrichtung intelligente Songwriter. Schließlich verwursten sie "One By One" von Wayne Shorter und empfehlen sich mit Textzeilen wie "young and poor, was told what it was to be - I wasn't taught how to pronounce free" für die Ewigkeit. Das musikalische Spannungsfeld gestaltet sich dank der treffsicheren wie pointierten Riffs von 150kg-Mann Tom "Pig Destroyer" Roberts vom manischen "God Not God" und Geballer wie "Made To Be Broken" über die rudimentären Melodien von "Death Wish Kids" bis zum schleppenden "Tormented Imp" sehr abwechslungsreich. "Kings Of Punk" lässt sich in seiner ursprünglichen Form gut und gerne dreimal hintereinander in einer Sitzung hören, ohne dass man seiner überdrüssig wird.
Die Konzert-Boni der Wiederauflage bieten bei gutem, wenn auch rohem Sound Großartigkeiten wie das Cover von "Jailhouse Rock", Ansagen fürs Poesiealbum ("I love big audiences because I can really insult you") und spastisches Gezuckel der Marke "Thorn In My Side" von der heute, was ihren Titel betrifft, schwer aktuell gewordenen EP "Record Collectors Are Pretentious Assholes". Einlegen, Bude zertrümmern und glücklich sein.
FAZIT: Southern Lord haben sich nach dem verschollenen BL'AST-Album erneut als vorzügliche Aufwärmer erwiesen und geben POISON IDEAs wegweisendem Album nach noch nicht ganz 30 Jahren die vermutlich ultimative Gestalt für Altfans wie Neuentdecker gleichermaßen - "Asi mit Niwoh", wie Hans Jürgen Zeltinger einst dichtete.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.11.2013
Chris Tense
Jerry A.
Tom Roberts
Dean Johnson
Southern Lord
51:28
08.11.2013