Auch wenn die Isländerin RAGGA GRÖNDAL nicht immer glücklich darüber ist, dass sie laufend mit TORI AMOS, KATE BUSH oder BJÖRK verglichen wird, so bleibt am Ende von „Astrocat Lullaby“ trotzdem die Erkenntnis, dass solche Vergleiche durchaus ihre volle Berechtigung haben. Und bereits nach dem ersten Song „Bangsi“ (Teddybär) drängt sich ein weiterer Vergleich wie eine „Jungle Drum“ auf, nämlich der zu einer weiteren isländischen Landsfrau: EMILIANA TORRINI.
Wer sich ein bisschen genauer mit RAGGA GRÖNDAL beschäftigt, wird schnell feststellen, dass sie ein unglaublich breit ausgeprägtes Musik-Spektrum bedient, das sich vom Jazz über Liedermacher, Klassik und Folk bis hin zum Pop erstreckt. Auf ihrem Schlaflied-Solo-Album für Astro(nauten)-Katzen verschmelzen besonders Folk und Pop sowie eine Prise isländische Tradition miteinander. Ihre Texte, die auf den ersten Blick etwas naiv erscheinen, machen plötzlich einen besonderen Sinn, wenn wir erkennen, dass Ragga sich in die Rollen verspielter Katzen, kuscheliger Teddybären oder verträumter Kinder begibt und grundsätzlich aus deren Perspektive ihre Weltsicht auf die sie umgebenden Dinge besingt: „Who sings a lullaby for the astronauts at night? Could the cat get ill?“ Alles Fragen, die wir uns noch nie zu fragen wagten, weil sie uns noch nie in den Sinn gekommen sind. Beim Hören dieses Album fragen wir uns dann natürlich, warum wir darüber noch gar nicht nachgedacht haben, während wir uns laufend dem Zeitgeist anzupassen versuchten.
Astronauten?
Drauf geschissen!
Katzen?
Drauf geschissen!
Bangsi (Teddybären)?
Drauf geschissen!
Wise Man (Kluger Mann)?
Drauf geschissen!
Am Ende verstehen wir dann sogar ohne Weiteres den „Self-Help Song“, wenn wir einfach das „Drauf geschissen!“ durch ein „Eigentlich interessant!“ ersetzen: „You must come out / and show them what / you're all about / and you'll be right!“
So vielfältig und abwechslungsreich, doch gleichermaßen einfach wie die Texte ist auch die Musik auf „Astrocat Lullaby“. Bush-Amos-artige, schöne Stimme trifft auf mannigfaltige, überraschende Arrangements und Kompositionen, denen die große Freiheit der nordischen Atmosphäre innewohnt. Schwelgerischer Folk schwebt melancholisch über einprägsamen Pop-Melodien, die atmosphärisch ein wenig nach den großen britisch-amerikanischen Vorbildern schielen und dabei den isländischen Charme verbreiten. Bekannte und unbekannte akustische Instrumente sorgen für entspannte Stimmungen, die durch elektronische Instrumente immer wieder verändert und belebt werden, bis in gewissen Momenten sogar breit gefächerte Klanglandschaften entstehen. Und über allem schwebt manchmal elfengleich Raggas Stimme.
Sogar der Bonustrack „Puppet Dance“ erscheint unverzichtbar, weil er einer der schönsten des gesamten Albums geworden ist. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass er gemeinsam mit der englischen Band THE FANCY TOYS aufgenommen wurde und den Beweis erbringt, wie wundervoll britischer Pop und isländische Melancholie miteinander verschmelzen können.
FAZIT: Eigentlich ist „Astrocat Lullaby“ ein großartiges Album. Wenn es uns nur nicht so oft an die Musik anderer Frauen mit ganz großen Stimmen erinnern würde. Schön, nachdenklich, himmlisch. Die Hölle kann warten, weil sie den Erwachsenen, nicht aber den Teddys, Katzen und Kindern vorbehalten ist.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.07.2013
Gudmundur Petursson, Robert Porhallsson
Ragga Gröndal
Gudmundur Petrusson, James Duncan, Mickael Theo
Ragga Gröndal, Gudmundur Petrusson, James Duncan
Birgir Baldursson, James Duncan, Claudio Spieler
Gudmundur Petursson (Marimba, Timpani, Sansula, Saz, Harfen), Simon Robinson (Trompete)
Beste! Unterhaltung / Bella Records
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23.07.2011