Floor Jansen hat ein Problem. Ein Luxus-Problem, zugegebenermaßen. Bislang war sie vor allen Dingen die ehemalige Sängerin von AFTER FOREVER, jetzt ist sie die Sängerin von NIGHTWISH – doch die Niederländerin hat deutlich mehr zu bieten als die passenden Vocals zu operettenhaften und ausschweifenden Kompositionen abzuliefern. Nachzuhören auf „Wild Card“, dem zweiten Album von REVAMP, die sie nach dem Aus von AFTER FOREVER selbst in Leben gerufen hatte.
Ungewohnt hart und, man muss fast schon sagen, brutal gerät das Einstiegsdoppel „The Anatomy Of A Nervous Breakdown“, bei dem die Combo die Grenzen zum Progressive Thrash mehr als nur streift. Auch im weiteren Verlauf des Albums bleibt das Härtelevel überraschend hoch, fette Riffs, mechanische Beats und schräge Keyboardsounds erschaffen eine kalte Stimmung, die allerdings immer wieder von der facettenreichen Stimme Floor Jansens durchbrochen wird, so wie ein Sonnenschein durch den wolkenverhangenen Himmel.
Anders als bei AFTER FOREVER oder NIGHTWISH ist der Metal-Anteil bei REVAMP ausgesprochen hoch, so dass die Opera-Metal-Passagen, die immer wieder eingeschoben werden, auch Genre-Hassern nicht sonderlich übel aufstoßen dürften. Natürlich, wer eine grundsätzliche Allergie gegen Keyboards hat, der wird mit „Wild Card“ wenig anfangen können, denn trotz aller heftig riffenden Gitarren bekommt das Tasteninstrument einen großen Raum zugesprochen, den Keyboarder Ruben Wijga auch weidlich ausnutzt.
FAZIT: NIGHTWISH trifft Thrash trifft Modern Metal trifft Elektro – was sich auf dem Papier wie eine niemals funktionierende Melange liest, funktioniert auf „Wild Card“ ausgesprochen gut. Wobei die vier Stichworte nur als grobe Orientierung gelten. Auch wer mit den bisherigen Spielfeldern von Floor Jansen nichts am Hut hatte, sollte mal reinhören – Überraschung nicht ausgeschlossen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.08.2013
Henk Vonk
Floor Jansen
Arjan Rijnen, Jord Otto
Ruben Wijga
Mattias Landes
Nuclear Blast
49:06
23.08.2013