„Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget,
der weiße Nebel wunderbar.“
Als im 18. Jahrhundert Matthias Claudius dieses „Abendlied“ schrieb, das als eins der bekanntesten deutschen „Gute Nacht“-Lieder in die vor sich herschlummernde Geschichte einging, hätte er sicher nie geahnt, dass einem Kritiker mitten in Deutschland im 21. Jahrhundert genau diese Claudius-Worte wieder in den Sinn kamen, als er zum ersten Mal das Album „Long Night Moon“ von RECKLESS KELLY, einer amerikanischen Band aus Austin, in den Händen hielt und nach dem ersten Hördurchgang seine Repeat-Taste am CD-Player drückte, um diese Eindrücke bestätigt zu wissen oder doch besser widerlegt.
Bereits das Cover hatte den Kritiker beeindruckt – nicht nur weil es ein Digi-Pack, das sich zum Glück gegen die ollen Jewel-Cases immer mehr durchsetzt, mit Mond(-Gesicht) und Sternen war, sondern auch weil es ein Mini-Poster mit Mond-Zeiten-Karte auf der Vorder- und allen Texten auf der Rückseite enthielt. Wenn eine Band schon so viel Liebe ins gestalterische Detail ihrer Musik steckt, dann gibt es einiges zu erwarten. Manchmal allerdings sind die Erwartungen auch größer als das, was einem am Ende geboten wird.
Die Musik von RECKLESS KELLY besitzt in ihrem Gesamtkontext durchaus ein paar einschläfernde, sich zu sehr in die Länge ziehende Momente und erweist dem Vollmond auf dem Cover alle Ehre. Trotzdem ist sie ein absolut hörenswertes Stückchen Musik im Umfeld von Country Rock, der nur ganz selten („Every Step Of The Way“ & „I Can't Stand It“) wirklich etwas lauter wird sowie balladesken Pop und weckt nicht nur Erinnerungen an einen TOM PETTY. „The Only Home I've Ever Known“ ist hierbei wohl der überraschendste Song, da er einen irischen Walzer und Honky Tonk in sich vereint.
Die Texte wiederum erfüllen hohe Ansprüche und erzählen insgesamt 13, mitten aus dem Leben gegriffene, Kurzgeschichten, welche sich oft um die große Traurigkeit auf der nicht immer erfolgreichen Suche nach der Liebe drehen oder aber die Gefahren, die auf einen lauern, wenn man auf der Straße lebt. Genauso geht es aber auch um Freundschaften, die statt in Natura und real zu sein, wie bei „Be My Friend (In Real Life)“, sich nur noch im World Wide Web abspielen.
Es sind gerade die Widersprüche, die „Long Night Moon“ so interessant machen, wenn die streitbaren Texte auf insgesamt ruhige und entspannt wirkende Musik treffen. Da tun sich dann plötzlich sogar einige Parallelen zu R.E.M.'s „Automatic For The People“ auf - nicht nur thematisch, auch musikalisch! Und ein „Man On The Moon“ würde auf dieses Mond-Album genauso gut passen wie auf das, aus meiner persönlichen Sicht, beste R.E.M.-Album. Kein Wunder also, dass mit „Any Direction From Here“ die CD mit einem Song, den es nur auf der europäischen Ausgabe des Albums als Bonus gibt, ausklingt, der seine mächtig Nähe zu R.E.M. keinesfalls verhehlen kann.
FAZIT: Wer RECKLESS KELLY noch nicht kennt, aber schon immer den Wunsch hegte, dass R.E.M. mal dem Country-Fieber verfallen und sich mit TOM PETTY ein Stelldichein geben, der braucht nicht mehr länger den Mond anzuheulen, sondern nur noch „Long Night Moon“ in seinen CD-Player einfahren lassen, das Licht löschen, die Augen schließen und an den Mann im Mond denken und schon kann die musikalische Mond-Reise beginnen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.11.2013
Joe Miller
Willy Braun, Cody Braun
David Abeyta, Willy Braun, Cody Braun
David Abeyta, Bukka Allen
Jay Nazz, David Abeyta, Cody Braun
Lloyd Maines (Pedal Steel), Jeff Plankenhorn (Dobro), The John Ross (Shaker)
Blue Rose Records
51:02
22.11.2013