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Saitenfeuer: Kein zurück

Stil: Harter Deutsch-Rock

Cover: Saitenfeuer: Kein zurück

Als anno 2008 in Leipzig fünf junge Herren es Leid waren, alle ihre CDs von den Böhsen Onkelz rauf und wieder runter zu hören, die seit 2005 keinen „böhsen“ Nachwuchs mehr bekamen, hatten sie plötzlich eine Idee: „Also ein bisschen Onkelz können wir auch!“, und schwupp gab es eine weitere Band aus Deutschland, die harten Rock mit etwas Punk und Indie sowie größtenteils recht einfach gestrickten, leicht verständlichen, aber keinesfalls anspruchslosen Texten kombinierte. Zwar kommen unsere Leipziger mit dieser Idee, die lange vor ihnen beispielsweise schon im Westen der Republik BETONTOD und KÄRBHOLZ hatten, etwas spät – doch besser spät als gar nicht. Und darum durfte diese Band aus dem „böhsen“ Osten, die sich nicht solche „brutalen“ Namen geben will, auch schon als Vorband – in Neudeutsch Support – tödlich die guten „Onkelz“ im Westen drauflosholzen und ihr SAITENFEUER erklingen lassen, das in etwa so lebendig klingt wie der Name ihrer Vorbilder von Betontod, mit denen die fünf Leipziger, nachdem sie mit „Auf und davon“ ihre Debüt-CD veröffentlicht hatten, im Herbst 2011 auf Konzerttournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz gingen.

SAITENFEUER klingen also wie das Leipziger Allerlei aus dem Versuch, ein paar ÄRZTEN die TOTEN HOSEN überzuziehen, um durch den Hosenstall die BÖHSEN ONKELZ raushängen lassen zu können und die Botschaft: „Wir sind gefangen, zwischen Begierde, Sex und Liebe“ zu verbreiten. Überhaupt sind diese drei Substantive typisch für die Text-Thematik, die nach „Auf und davon“ zur musikalischen Erkenntnis, es gibt „Kein zurück“ gelangt. Wenn allerdings die erste Liedzeile eines Albums mit „Wir brauchen Waffen!“ beginnt, bekommt man doch erst einmal einen Schreck, ob hier eine Band vorhat, Musik-Amok zu laufen. Doch es kann Entwarnung gegeben werden – hier dreht niemand durch oder ballert um sich. Hier wird hart und viel zu eintönig gerockt und wer das Video „Engel“ von ihrem Debüt-Album „Auf und davon“ kennt, der weiß, wie „Kein zurück“ klingt: Verdammt ähnlich!

Wenn Saitenfeuer loslegen, dann rockt und groovt es eben von Anfang bis zum Ende. Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und deutscher Gesang. Alles rein in den Tempomat, auf „Feuer frei“ gestellt und ab geht’s – immer die Musikautobahn entlang und immer schön das Tempo beibehalten. Zurücklehnen und losdüsen. Das macht vielleicht eine gewisse Zeit lang Freude, wird aber auf die Dauer verdammt langweilig, genauso wie „Kein zurück“. Wem auffällt, dass in dieser Kritik zu oft das Adjektiv „verdammt“ auftaucht, der weiß nun, dass ich es verdammt schade finde, dass SAITENFEUER mit „Kein zurück“ so verdammt auf der musikalischen Stelle treten. Vor allem immer dann, wenn ein treibendes Schlagzeug, das deutlich zu stark in den Vordergrund gemischt wurde, ein wummernder Bass, zwei Gitarren, die ihr Stakkato vom ersten bis zum vorletzten Titel abfeuern, und Gesänge zwischen CAMPINO und KEVIN RUSSELL erklingen. Eben nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut – eher altbekannt. Und sogar die Texte greifen auf alte Klassiker zurück, wie bei „Weder Schein noch Sein“, in dem diese ekelhafte Rampenlichtmentalität angeprangert und aus dem „Osterspaziergang“, den Faust nach seinen Selbstmordgedanken zurücklegt, zitiert wird: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein!“ Die Musik sowie die Text-Qualität hätten einem Goethe im Großen und Ganzen sicher nicht sonderlich viel Freude bereitet.

Auch die abschließende Ballade, die zu dem Album in etwa genauso passt, wie ein rosa Rüschen-Schlüpfer zu Arnold Schwarzenegger, bedient dann nur noch die adeligen Graf-Instinkte von UNHEILIG. Allerdings liegen im Falle der Balladen wahrhaft Welten zwischen den Leipzigern und dem Graf Dracula der Deutsch-Rock-Szene.

FAZIT: „Ich stürze mich in die Tiefe, doch ich treib' nicht nach oben ...“ - Gleiches wie diese Zeile aus „Immer wieder“ gilt auch für „Kein zurück“. Spannender Beginn, gefolgt von durchschaubarer, harter Punk-&-Rock-Langatmigkeit, die am Ende abstürzt und auf dem Boden des guten Musikgeschmacks zertrümmert liegen bleibt. Deutsch-Rock kann so spannend und abwechslungsreich sein – leider gilt das noch zu selten für den Deutsch-Rock dieser härteren Sorte aus dem Hause SAITENFEUER!

Punkte: 7/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.08.2013

Tracklist

  1. Bis ins Herz
  2. Weder Schein noch sein
  3. Begierde
  4. Flussaufwärts
  5. Lass uns endlich wieder
  6. Komm mit mir
  7. Ein letzter Kuss
  8. Gesagt, getan
  9. Spring ab!
  10. Das ist der Moment
  11. Dein Rausch
  12. Wir reisen durch's Land
  13. Immer wieder

Besetzung

  • Bass

    Robert Kunze

  • Gesang

    Carsten Thiecke

  • Gitarre

    Roberto Weise, Benny Mertens

  • Schlagzeug

    Johannes Kreissig

Sonstiges

  • Label

    Better Than Hell

  • Spieldauer

    47:00

  • Erscheinungsdatum

    23.08.2013

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