Woran denkt man zuerst, wenn man an Finnland denkt? Schnee, Sauna, Alkohol? Ok. Elche. Hmm. Dunkelheit? Ja. Hübsche Frauen? Oh ja. Bevor wir abschweifen – auf dieser Seite geht’s ja vornehmlich um Musik, beschränken wir uns auf musikalische Assoziationen: Tango. Eläkeläiset. Nein, nicht so absurd. Also: Melodic Metal, Death Metal, Symphonic Metal? Ja ja, schon gut, bevor auch der letzte Leser aus dem Einstieg gleich wieder ausgestiegen ist: Wie lang müsste die Liste wohl werden, bevor die Rede auf „Glam Rock“ zu sprechen käme?
Eigentlich erstaunlich, denn mit den HANOI ROCKS bzw. MICHAEL MONROE haben die Finnen einen ganz Großen des Genres herausgebracht. Dennoch: Eine Band wie SANTA CRUZ ist absolut untypisch für Finnland. Los Angeles würde um einiges besser passen, denn mit ihrem 80er-Jahre-Weiberhelden-Look begeben sie sich in direkte Nachfolgschaft zu Bands wie GUNS’N’ROSES, POISON, MÖTLEY CRÜE und Konsorten. Zu den HANOI ROCKS fehlt den Jungspunden dann doch die punkige Attitüde, so dass sie musikalisch mit ihrem Debüt „Screaming For Adrenaline“ auch eher in Richtung Kalifornien schielen.
Das bedeutet: Mitreißende Songs, die man nach einmaligem Hören bereits mitsummen kann, dreckige Gitarrensoli, entweder partykompatible oder beziehungsreflektierende Texte und ein Sänger, der mehr als einmal an Axl Rose (allerdings in gut) erinnert. Erfreulicherweise bewegen sich die vier Finnen musikalisch häufiger dichter an den Gunners als an den vergleichsweise substanzlosen POSION, nur hin und wieder aufkommende „ohohohoho“-Schunkelparts und Weichspülmomente erinnern an die ehemaligen MTV-Schlüpferstürmer.
Hier und dort übertreiben es SANTA CRUZ allerdings mit der Hommage an die einst gefährlichste Rock’n’Roll-Band: Die Gitarren in „High On You“ klingen eins zu eins nach „Paradise City“, beim Auftakt von „Let’s Get The Party Started“ würden Hundertausende Rock-Afficionados einen beträchtlichen Batzen Geld darauf verwetten, dass gerade „Sweet Child O‘ Mine läuft.
FAZIT: Lassen wir mal Fünfe gerade sein und vergeben SANTA CRUZ das mitunter etwas dreiste Klauen von Songfragmenten: „Screaming For Adrenaline“ macht mächtig viel Spaß, kombiniert unbändige Spielfreude, technische Fähigkeiten insbesondere an den Gitarren, einen stimmlich überzeugenden Sänger und die Fähigkeit, schwerstens eingängige Songs zu schreiben. Die Achtziger sind zurück. Oder waren sie niemals wirklich weg?
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.05.2013
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26.04.2013