Wer gedacht hätte, dass TARJA Turunen mit dem Rausschmiss bei NIGHTWISH von der hart rockenden Oberfläche verschwinden würde, sieht sich bereits seit vielen Jahren nachhaltig getäuscht. Zwar hatte die Sopranistin ursprünglich gehofft, auch außerhalb der Goth’n’Symphonic-Szene Gehör zu finden, doch ihre Soloalben „My Winterstorm“ und „What Lies Beneath“ lagen stilistisch gar nicht so weit weg von ihrem früheren Arbeitgeber.
Und, Überraschung, auch Album Nummer drei, „Colours In The Dark“, passt ohne weiteres in den musikalischen Lebenslauf der finnischen Ausnahmesängerin. Allerdings, und das deutet der Titel auch an, weicht sie dieses Mal manches Mal von eingeschlagenen Pfaden ab. Mehr elektronische Spielereien, mehr moderne Klänge, manche kalte Stimmung, die sich in den Songs breitmacht – nein, man kann TARJA Turunen nicht vorwerfen, dass sie das Risiko scheut, denn ihrer weltweit recht ansehnlich starken Fanschar wäre es sicherlich lieber, sie würde sich auf das operettenhafte Einsingen von Symphonic-Metal-Tunes beschränken.
Über ihre Stimme – auch wenn der selbst ernannte „beinharte Metaller“ weiterhin die Qualitäten abstreitet – muss eigentlich nicht mehr ernsthaft diskutiert werden, auch auf „Colours In The Dark“ weiß die Ausnahmesängerin mit einer breiten stimmlichen Palette zu gefallen. Das Problem sind eher einige Songs, die keinen rechten Drive aufnehmen und manches Mal orientierungslos umherirren. Vor allen Dingen sind es häufig die eingestreuten, ruhigen Passagen, die vermutlich „stimmungsvoll“ oder „atmosphärisch“ wirken sollen, aber eher den Fluss der Songs stören.
Das ist schade, denn „Colours In The Dark“ enthält einige wirklich verdammt starke Stücke, die sowohl die stimmliche Vielfalt der Namensgeberin abbilden, mit soliden und schweren Riffs gefallen und/oder angenehme sinfonische Klangbilder enthalten und/oder mit netten Orchestertönen aufgepeppt werden. Ein straighter Melodic-Rocker wie „500 Letters“ oder das modern riffende „Never Enough“ mit seinem hitverdächtigen Refrain gehören dazu, erst recht das über achtminütige „Medusa“, das das Album abschließt. Dann gibt es aber immer wieder akustische Abtörner wie „Lucid Dreaming“, in denen einfach zu wenig passiert. Ein schönes Beispiel für die ein wenig gespaltene Qualität ist der Opener „Victim Of Ritual“: Der bietet feine Orchestrierungen im „Bolero“-Stil, eine sehr gelungene Gesangsmelodie und einen tollen Refrain – bis die Sängerin beim „Rrrrrrrrritual“ angekommen ist und das ganze Kartenhaus zusammenfallen lässt – schade, denn der einfallslose zweite Teil des Refrains zeigt zwar, dass niemand so schön das „r“ rrrrollen kann wie die Finnen, aber auch, dass den Songwritern an mancher Stelle schlichtweg die Ideen ausgehen.
FAZIT: Die Stimme TARJA Turunens hilft über die eine oder andere qualitative Durstrecke auf „Colours In The Dark“ hinweg – doch gegen die drei, vier wirklichen Lowlights reicht es dann nicht mehr, einfach nur auf Ausstrahlung zu setzen. Viele gute Songs, ein paar Langweiler – gehobener Durchschnitt, aber leider nicht mehr.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.09.2013
Tarja Turunen
Ear Music/Edel
62:12
30.08.2013