Neue Besen kehren gut. Eine Weisheit, die U.D.O. auf dem diesjährigen Rock Hard Festival bestätigten, als sie einen unerwartet starken Headlinerauftritt auf die Bretter legten. Die neuen Besen sind dabei zum Beispiel die beiden neuen Gitarristen Andrey Smirnov und Kasperi Heikkinen, die live in jeder Hinsicht einen tollen Job gemacht haben. Die beiden ersetzen Igor Gianola, der Anfang 2013 aus privaten Gründen die Band verlassen hat und Dirkschneiders alten Weggefährten Stefan Kaufmann, der aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen war, seine Musikerkarriere zu beenden. Kaufmann war zuletzt auch als Produzent für U.D.O. tätig, am neuen Album "Steelhammer" hat er aber nicht mehr mitgearbeitet - mit beachtlichen Folgen.
Für den modernen und dadurch zu klinischen und sterilen Sound der letzten U.D.O.-Werke setzte es meist herbe Kritik, die man sich offenbar zu Herzen genommen hat. Zwar klingt "Steelhammer" sicherlich nicht retrograd, hat aber insgesamt einen wärmeren Klang, als seine Vorgängeralben, ohne dabei an Durchschlagskraft einzubüßen - oder um es auf den Punkt zu bringen: so und nicht anders muss guter Teutonen-Stahl klingen. Klar, eine Platte mit gutem Sound ist erst dann eine gute Platte, wenn sie gute Songs aufweisen kann. Und damit wären wir wieder bei den neuen Besen. Denn die erzwungene Neuorientierung von U.D.O. resultiert nicht nur in gutem Sound, sondern in einem Album, dass so viele starke Songs vorweisen kann, dass es schlicht und ergreifend begeistert. Und das liegt nicht an vielleicht noch vorhandener Resteuphorie vom Rock Hard Festival. Noch ein Wort zu den neuen Besen: die beiden neuen Gitarristen waren in den Songwriting-Prozess nicht eingebunden, sondern wurden erst später aus über 300 Bewerbern ausgewählt. "Steelhammer" ist also offenbar allein auf dem Mist von Dirkschneider, Wienhold und Jovino gewachsen, zumindest Smirnov ist aber darauf schon zu hören.
Den eröffenenden Titeltrack haben U.D.O. auch schon live präsentiert, ein kraftvoller und urtypischer Knaller mit einem Dirkschneider in Bestform. Eine melodische, eindringliche Midtemponummer ist "Cry Of A Nation", die später einsetzenden Streicher passen gut und die Soli sind klasse. Tolle Gitarrenarbeit und einen Nackenbrechergroove produziert die "Metal Machine", während der komische Titel der zackig galoppierenden Uptemponummer "Basta Ya" am spanischen Text liegt, hier folgt auf die Männerchor-Bridge ein toller, mehrstimmiger Refrain. Und bereits nach vier Songs ist klar: dieses Album kann einiges. Es folgt ein Ballade. Aber keine Metalballade, sondern ein Song, bei dem Udos Stimme nur vom Klavier und später von Streichern begleitet wird. Udo in den Fußstapfen von Louis Armstrong?
Das überflüssige 8-Bit-Keyboard-Gepiepe von "Devil's Bite" wird zum Glück schnell von drückenden Gitarren abgelöst, tönt aber zwischendurch immer mal wieder durch. Ansonsten sind melodische Bridge und der Refrain ansprechend. Dem Titel entsprechend geht es beim "Death Ride" ziemlich schnell zu, das folgende, in den Gesangslinien leicht sleazige, aber härter rockende "King Of Mean" ist aber deutlich stärker, besonders im auffälligen Refrain. "Timekeeper" ist typisch und gut, während das melodische, leicht melancholische "Never Cross My Way" als gefühlvoller Hardrocker sofort überzeugt und ein wirklich großartiger Song ist. Ob die neuerlichen Erfolge von Udos Ex-Band ACCEPT ihn und seine Band dazu animiert haben, sich noch ein bisschen mehr Mühe mit den Songs zu geben? Es scheint fast so.
Mit 14 Songs bei über einer Stunde Spielzeit haben U.D.O. den "Steelhammer" ziemlich voll gepackt, ohne jedoch erklärtes Füllmaterial zu verwenden. Klar, nicht jeder Song ist hier ein Knaller vor dem Herrn, aber schlechte Songs sucht man ebenfalls vergeblich. "Take My Medicine" ist einer dieser Urtyp-Songs, während "Stay True" nochmal aufs Tempo drückt. Dass "When Love Becomes A Lie" da deutlich langsamer ist, überrascht nicht. Gefühlvoll singt Udo in den Strophen dieser Powerballade und die Entenpelle lässt sich nicht unterdrücken. Und zum Ende nimmt man sich bei "Book Of Faith" die Freiheit, einfach das zu tun, wozu man Bock hat, egal was die Leute sagen. Da bekommt man anfangs eine Ahnung, wie es klingt, wenn Udo mal einen Song für James Bond schreibt und auch im weiteren Verlauf überrascht die Nummer mit allerlei ungewöhnlichen Ideen.
FAZIT: Nahezu unerwartet hauen U.D.O. mit "Steelhammer" einen echten Heavy-Metal-Hammer, geschmiedet aus rostfreiem teutonischen Edelstahl heraus und machen deutlich, dass sie ACCEPT das Feld garantiert nicht kampflos überlassen werden. Saustark!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.06.2013
Fitty Wienhold
Udo DIrkschneider
Andrey Smirnov, Kasperi Heikkinen
Francesco Jovino
AFM/Soulfood
61:40
24.05.2013