“Live At The Rock Of Ages Festival Germany 2008” erscheint als sechster Teil der offiziellen Bootleg-Serie URIAH HEEPs. Und das, obwohl das Konzert das früheste der Reihe ist. Vielleicht weil Gut Ding Weile haben will; die Band bezeichnet das „Rock of Ages“-Festival als „memorable […] for a couple of reasons“. Was die Aufzeichnung auf Konserve angeht, betrifft dies durchaus die Soundqualität, die Bootleg-„Qualität“ weit hinter sich lässt. Warme, satte und doch relativ klare Klänge dringen aus den Boxen, lediglich bei der Abmischung der Vocals hätte es sowohl weniger wie gelegentlich mehr sein können. Doch das ist schon Mäkelei im gehobenen Bereich. Bernie Shaw macht seine Sache sehr sympathisch, inklusive kleiner Jokes auf Deutsch („Jawollski!“), da verzeiht man gerne, wenn ihm mal die Luft ausgeht; Vergleiche mit Ur-Sänger David Byron erübrigen sich sowieso.
Musikalisch hauen die alten Herren zünftig rein, das Album rockt und filigrane Spirenzchen erwartet man eh nicht. Feist orgeln die Keyboards, Mick Box spielt seine etwas schlichten, aber eigenständigen und druckvollen Gitarrenparts mit Schwung, die Rhythmussektion liefert das gewohnt solide Fundament, auf dem sich Vertrautes mit viel Spaß an der Sache breitmachen kann. Das Datum der Veröffentlichung macht den 2008er-Auftritt zu so etwas wie dem Vermächtnis eines beseelten Handwerkers: Der im Mai diesen Jahres verstorbene Bassist Trevor Bolder darf nicht nur bei seinem Solo während „Lady In Black“ brillieren.
Die Songauswahl? „Wake The Sleeper“ war gerade erschienen, deshalb zieren drei Beiträge die Setlist, seltsamerweise fehlt der Titeltrack. Ansonsten weitgehend Business as usual, so sind die fünf abschließenden Songs (erst)klassische Früh-Siebziger-Jahre-Kost. „July Morning“ Uriah Heeps „Child In Time“ darf nicht fehlen, und ist mit 10:53 Minuten, einmal sogar sekundengenau, so lang wie auf fast allen anderen Bootleg-Alben; „Easy Livin‘“ ist mit einer knalligen Version dabei, „Lady In Black“ wird als Zugabe in einem wuchtigen Soundkostüm dargeboten, der „Wizard“ und Free Me“ schlagen sich respektabel. Zur Abwechslung finden sich eine Handvoll Stücke späterer Alben ein, fehlende Klassiker lassen sich auf den anderen Veröffentlichungen finden.
FAZIT: Ohne Kenntnis der gesamten Bootleg-Serie wage ich die Behauptung, dass Nummer 6 (einen Tag nach dem Auftritt im Gefängnis von Rottenburg eine wahre „The Prisoner“-Hommage) ein Highlight darstellt. Ob man alle Alben braucht, liegt daran wie sehr man URIAH HEEP verbunden ist, oder ob man sich aus den Rückseiten der ansprechend gestalteten Digipacks ein Gesamtkunstwerk zusammenlegen möchte.
"Man mag sie oder man mag sie nicht, wenn man Musik mag, mag man sie nicht", stand vor Jahrzehnten im Rolling Stone zu lesen. Doch nicht nur im vorliegenden Fall belegen URIAH HEEP, dass beides wunderbar zusammen funktioniert. Gerade in Zeiten mit immer komplexer werdenden Zusammenhängen und Anforderungen, ist Musik von jener schlichten Größe, wie sie URIAH HEEP seit rund fünfundvierzig Jahren präsentieren, zuweilen ein wohltuender Genuss. Besonders, wenn es mit so viel Herzblut und Charme wie beim Rock Of Ages-Auftritt geschieht.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.07.2013
Trevor Bolder
Bernie Shaw
Mick Box
Phil Lanzon
Russell Gilbrook
earMUSIC/Edel
76:27
12.07.2013