Es ist an dieser Stelle unangebracht, eine Diskussion über die Vor- und Nachteile von Veganismus, Vegetarismus und Omnivorismus führen zu wollen. Soll halt jeder so halten, wie er oder sie es für richtig hält - und auch darüber debattieren, wenn man es für nötig hält. Ein Vorteil des Allesfresserdaseins ist aber zweifellos, dass man sich auch vegetarisch oder gar vegan ernähren kann, ohne Gewissensbisse zu haben, was umgekehrt ungleich schwerer oder gar unmöglich erscheint.
Während der Veganer also an den Erwerb von "Meat Basics" keinen einzigen Gedanken verschwenden muss, kann man sich als Allesfresser ruhig mal mit "Kochen ohne Knochen" beschäftigen. Das ist zum einen ein veganes Magazin, das von den Herausgebern des Punk-Magazines "Ox" veröffentlicht wird, zum anderen aber auch der Titel einer Kochbuchreihe, von der es inzwischen fünf Bände gibt. Und während es in den ersten vier Bänden vegetarische und vegane Rezepte gab, besteht der vorliegende Band fünf ausschließlich aus veganen Rezepten. Unterteilt nach den Kategorien Salate, Suppen, Snacks, Hauptgerichte, Nachgebautes, Aufstriche und Süßes - man kann sich also problemlos ein veganes Mehr-Gänge-Menü zusammenstellen. Im Vorwort wird auf das Wie und Warum der veganen Ernährung eingegangen, außerdem gibt es ein Einmaleins der veganen Ernährung von einem Dr. Markus Keller.
Die Rezepte selber wurden natürlich nicht alle von den Herausgebern selbst entwickelt, sondern von verschiedenen Personen, die in jedem Rezept auch genannt werden. Es wird immer angegeben, für wieviele Personen ein Rezept ist und welche Musik man zu dem entsprechenden Gericht hören sollte. Was natürlich nur eine grobe Richtlinie darstellt. Danach folgt die Auflistung der Zutaten und die Beschreibung, wie das Ganze nun zubereitet wird. Dabei wird dem Koch in gewisser Weise freie Hand gelassen. Wenn man es gewohnt ist, mit sehr genauen Angaben wie "ein Teelöffel Kümmel", "drei Esslöffel Chilisauce" und ähnlichen zu arbeiten, muss man sich hier umstellen, denn oft wird eben nur angegeben, dass Salz, Pfeffer, italienische Kräuter, frische Petersilie oder was auch immer dran kommt. Man muss dann eben nach gutdünken würzen. Der Sprachstil in den Beschreibungen selber ist betont locker-lässig und unkonventionell. Das ist wiederum reine Geschmackssache und man muss selber wissen, ob man diesen Stil oder den nüchterneren Stil eines GU-Kochbuchs bevorzugt.
Drei Rezepte wurden zwecks Rezensierung nachgekocht: "Rote Penne", "Spaghetti Carbonara" und "Brunis Linsensuppe". Bei "Rote Penne" kommen nicht ausschließlich frische Zutaten, wie in vielen der anderen Rezepte, zum Zuge, sondern unter anderem ein Glas rote Pesto. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass die nicht immer vegan sind. Zum Testen wurde die schärfere Arrabiata-Variante verwendet, außerdem kamen Pinienkerne und Rucola mit rein. Das Ergebnis dürfte jeden Nudelesser überzeugen und man hat nicht den Eindruck, dass man es mit einem veganen Rezept zu tun hat. Etwas anders sieht es bei "Spaghetti Carbonara" aus. Hier kommt neben Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie und italienischen Kräutern geräucherter Tofu in die Soße, der das Ganze sehr kräftig schmecken lässt. Im Rezept steht, dass man vegane Sahne nehmen soll, da es die aber nicht im hiesigen Supermarkt gab, wurde mit Cremefina von Rama ein Produkt genommen, das zum größten Teil aus pflanzlichem Fett besteht, aber eben nicht vegan ist. Für einen Veganer natürlich ein No-Go, aber für den Allesfresser eine machbare Alternative, wenn eine vegane Zutat nicht ohne weiteres zu bekommen ist. Insgesamt schmeckt diese Carbonara-Variante schon anders, als man es gewohnt ist und man hat hier mehr den subjektiven Eindruck, vegan zu essen - lecker war es aber dennoch. Abgesehen von der pflanzlichen Sahne kommt "Brunis Linsensuppe" komplett mit Standardzutaten aus, weshalb das Ergebnis auch genau so schmeckt, wie man es von einem Linseneintopf erwartet.
Blättert man das Kochbuch weiter durch, so stößt man auf "Tofuberger Klopse", "Chili ohne Carne", "Fränkisches Nazi Goreng", "Johannisbeer-Gulasch", den "Giggle-Pot" und die "Vegan Strength-Pizza", insgesamt über 200 Rezepte. Wirklich spannende Sachen also, die auch fast alle mit wenigen Zutaten auskommen und schnell zubereitet sind, auch ohne Meisterkocherfahrung
FAZIT: Veganer und Vegetarier freuen sich über neue Rezepte, Fleischfresser bekommen einige interessante Alternativen, um sich abwechslungsreich zu ernähren. Und so weit über den Tellerrand, wie es manch ein Allesfresser vielleicht befürchtet, muss man hier gar nicht schauen, um lecker satt zu werden.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.01.2013
Ventil Verlag / Ox Verlag
192 Seiten
01.12.2012