In einer guten und gerechten Welt würde keine Südtiroler Volksmusik-Rock-Kapelle an der Spitze der Charts stehen, sondern eine Band wie die DRITTE WAHL aus Rostock. Doch die Welt ist bekanntlich schlecht und so ist die DRITTE WAHL "nur" eine der angesehensten und respektiertesten Deutschpunk- bzw. Punkrockbands geworden - und feiert in diesem Jahr das 25. Jubiläum. Das muss man auch erst einmal schaffen. Zu diesem Anlass veröffentlicht die Band über ihr eigenes Label eine Art Geburtstagssampler: 25 Bands covern 25 DRITTE WAHL-Klassiker.
Das Sahnestück haben sich dabei HEAVEN SHALL BURN geschnappt, die gemeinsam mit KREATORs Mille den unsterblichen Hit "Auge um Auge" in ein brutal gesungenes Melo-Death-Gewand gesteckt haben. Wenn man den Song lange nicht mehr gehört hat, hat man für Wochen einen Ohrwurm. Dass der Sound der Nummer nicht ganz optimal ist - geschenkt. Am interessantesten ist es hier eh, wenn Bands einen Punksong covern, die eigentlich gar keinen Punk spielen. Dass auch IN EXTREMO mit von der Partie sind, ist überraschend, ihre Interpretation von "Ich bin's" wirkt mit Harfe, Akustikgitarren und Mundharmonika allerdings ein bisschen schlagerhaft. Die Erfurter Metaller von MACBETH machen aus "Betty Blue" ein düsteres Midtempo-Metal-Stück, während "Zeit zu gehen" von den TRICKY LOBSTERS als kerniger Hardrock dargeboten wird. Mit POSTMORTEM ist eine weitere Extrem-Metal-Kapelle dabei, sie verpassen dem Song "Die Kugel" eine Hardcore-/Thrash-Kante.
Komplett aus dem Rahmen fallen BLACK HEAVEN mit ihrer Dark Electro-Version von "Kein Ton", wobei sich Musik und Text gut miteinander vereinbaren - für die meisten Hörer aber wohl genauso ein Skip-Kandidat wie BENZIN, deren Electro/HipHop-Variante von "E.A.R.A." an DEICHKIND oder K.I.Z. erinnert. Die Gothic Rocker MAINPOINT verpassen "Lust" einen TYPE O NEGATIVE-Anstrich, in dem lediglich das Stöhnen und lustvolle Atmen etwas nerven. Besonders gelungen ist die coole Version, die die FREYGANG-BAND von "Mein Preis" eingespielt hat, mit lässigem Gesang und Orgel rockt die Nummer sehr lässig. Fremdsprachig wird es bei der polnischen Band FARBEN LEHRE ("Spisek" ist im Original "Greif ein") und bei AL & THE BLACK CATS, die aus "Zeit bleib stehen!" ein "Time Stand Still" mit folkigen Akustikgitarren und Grölgesang machen. Britisch klingt auch TOM SCHWOLLs getragene Version von "Auf der Flucht".
Der Rest sind dann zumeist Einspielungen von Punkbands, die naturgemäß eher nah am Original bleiben. Mal gibt es Ska-Einflüsse und Bläser (bei "Alle Tage - alles gleich" von EL BOSSO MEETS THE SKADIOLAS zusätzlich mit coolem Slapbass), mal ein bisschen mehr Hardcore (bei den CRUSHING CASPARS und bei COR, die aber die schlechteste Interpretation beisteuern). RASTA KNAST, ZAUNPFAHL sowie die DAILY TERRORISTEN mit ALARMSIGNAL machen ihre Sache auch noch ganz gut, unter den übrigen Stücken macht man aber zumindest auch keinen Totalausfall aus.
FAZIT: Die Zusammenstellung ist über weite Strecken eine unterhaltsame Angelegenheit und unterstreicht die Ausnahmestellung, die DRITTE WAHL sich erarbeitet haben. Die CD kommt im Digipak und pro verkauftem Exemplar geht 1€ an die Krebsforschung. Man tut also mit dem Kauf nicht nur sich selbst etwas Gutes.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.09.2013
Dritte Wahl Records/Indigo
86:42
20.09.2013