Man darf geteilter Meinung darüber sein, ob Festivalrückblicke dieser Art Not tun - besonders bei einem Festival wie dem Wacken Open Air, bei dem über 100 Bands auftreten. Mit 24 Bands ist gerade mal ein knappes Viertel auf dieser Dreifach-DVD mit einem bis drei Songs vertreten und 58 Clips gibt es insgesamt. Von den Headlinern haben lediglich VOLBEAT ihr Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben, somit fehlen Ausschnitte der Shows von DIMMU BORGIR mit Orchester, dem optisch spektakulären IN FLAMES-Auftritt, der alles niederwalzenden Machtdemonstration von MACHINE HEAD oder der verregneten SCORPIONS-Show. Der Auftritt von SEPULTURA mit der Perkussion-Gruppe LES TAMBOURS DU BRONX hätte eigentlich auch hier drauf gemusst.
Ein bisschen störend ist zudem, dass die Auftritte nicht chronologisch sind, sondern scheinbar wahllos aneinander gehängt wurden - zumindest zum Ende jeder DVD gibt es aber nächtliche Auftritte und die dritte DVD widmet sich ausschließlich dem Geschehen auf den Zeltbühnen. Die Bildqualität ist durchgehend prima, auch wenn die Lichtverhältnisse im Dunkeln nicht immer perfekt sind. Soundmäßig hängt hier vieles von den Fähigkeiten der Livemischer ab - manchmal ist der Sound richtig gut, manchmal aber auch eher mau.
HAMMERFALL hatten am Freitag ganz ordentlich abgeräumt - mit den drei gezeigten Songs wird das aber nicht so richtig deutlich. Schade. Die TESTAMENT-Tracks belegen den starken Auftritt der Bay-Area-Thrasher, bei THE BOSS HOSS hingegen darf man sich weiterhin fragen, was sie auf einem Heavy-Metal-Festival verloren haben. Braucht keine Sau. EDGUY waren unangekündigter Special Guest und nahmen ihren Auftritt sichtlich nicht allzu ernst. Was auch an der immer wieder eingeblendeten Marionette, die wie Sascha Paeth aussieht, liegen mag. Bei VOLBEAT war es brechend voll vor der Bühne, hier ist es erfreulich, dass die Tracks ausgewählt wurden, bei denen mit Michael Denner (MERCYFUL FATE), KREATORs Mille und NAPALM DEATHs Barney Gäste mit auf der Bühne waren. Als Abschluss der ersten DVD gibt es einen "Mood-Film" - knappe fünf Minuten Eindrücke vom Festival - reichlich mageres Bonusmaterial also.
Mit SAXON und OVERKILL eröffnen zwei alteingesessene Bands mit sichtbar viel Bühnenerfahrung die zweite DVD. Wie abwechslungsreich (im eher negativen Sinne...) das Wetter an diesem Wochenende war, zeigen die CRADLE OF FILTH-Mitschnitte. Ausgerechnet bei denen herrschte strahlender Sonnenschein. Dass deren Auftritt aber nur mittelprächtig war, sieht man auch hier deutlich. Und dass die Kameraleute ganz angetan von Keyboarderin Caroline Campbell waren, ebenfalls. Die chinesischen Thrasher von SUFFOCATED hatten unfassbares Pech mit strömendem Regen, nett aber, dass sie mit drei Songs präsentiert werden. Mit den polnischen TechDeathern von DECAPITATED geht es dann ins Zelt, danach zeigen DJERV, dass ihre an sich coole Alternative-Mucke stark vom Gesang von Agnete Kjølsrud lebt - die hörbar keinen guten Tag hat. Eher dünn ist auch die Präsentation von Sonnenschein Liv Kristine und ihren LEAVES' EYES. Und auch SCHANDMAUL hat man schon mit besserem Sound gehört und mit mehr Licht gesehen.
Die dritte DVD startet mit einem Highlight, dass der Rezensent beim Festival verpasst hatte: CIRCLE II CIRCLE, die SAVATAGEs "Wake Of Magellan"-Album spielen. Die drei gebotenen Songs haben guten Sound, sind tadellos gespielt und von Zak Stevens grandios gesungen. Dagegen kacken die Heavy Rocker von RIOTGOD ziemlich ab, auch weil danach RED FANG zeigen, wie gut man Stoner/Sludge Metal live spielen kann. CRIMES OF PASSION hatten 2012 mit "To Die For" ein gutes Album veröffentlicht, live kann ihr Sänger aber wenig bis nichts. Dass das Wacken-Publikum mit WARRIOR SOUL sichtbar nicht allzu viel anfangen kann, verwundert nicht, besser sind die Resonanzen bei den israelischen Death-Thrashern HAMMERCULT. Die eigentlich aufgelösten schwedischen Grinder von NASUM gaben 2012 ein paar Jubiläumskonzerte mit ROTTEN SOUNDs Keijo Niinimaa am Mikrofon, die drei hier vertretenen Songs sind also ein bisschen etwas Besonderes. Der Melodeath/Metalcore-Mix von UNEARTH kommt erwartungsgemäß prima an, bei GHOST BRIGADE ist es passend zur Musik etwas ruhiger im Publikum. Tollen Sound hat das eine, sehr chillige Stück von GRAVEYARD, während man das von der Akustikdarbietung mit Streichern dreier MOONSPELL-Tracks leider nicht behaupten kann.
FAZIT: Nettes Andenken, wenn man dabei war - mehr aber auch nicht. Dafür ist die Bandauswahl einfach zu mager.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.12.2013
UDR/Warner
296:00
06.12.2013