Schweden bescherte uns nicht nur freundlichen, perfekt durchkonzipierten Pop mit Anspruch auf Zeitlosigkeit, sondern in den letzten Jahren auch viel gequirlten Unrat im vermeintlichen Metal-Bereich, und insbesondere die Christenmafia um Christian Liljegren und Johannes Jonsson, die bei quasi allen auf diesem mit null exklusivem Material aufwartenden Sampler vertretenen Bands vorneweg oder im Hintergrund mitmischen, hat sich im Laufe der Zeit des einen oder anderen akustischen wie predigenden Verbrechens schuldig gemacht. Sieht man dann Combos wie MAJESTIC VANGUARD aus der Nachbarschaft oder THEOCRACY, die ihrer Religiösität auf ähnlich seichte und textlich oberflächliche Weise ausdruck verleihen, kommt man nicht umhin, einen weltweiten Hirnschwund zu erahnen.
NARNIA (nur echt mit Goldmähne) reichen neben dem flotten "Enter The Gate"-Stück "People Of The Bloodred Cross" zwei Tracks von "Long Live The King" ein, ihrem am besten ausgewogenen Album. Die dramatische RAINBOW-Note werden die Schweden wohl niemals ablegen, aber das ist weniger schlimm als der nur für Hardcore-Christen nicht alberne Text von "Living Water" (charmante Frauenchöre übrigens). Die zwei AUDIOVISION-Beiträge stammen von "The Focus" aus dem Jahr 2010, und wie man vielleicht weiß, handelt es sich bei der Band um eine im Vergleich zu den Löwen weniger neoklassisch gemähte Spielwiese von Christian Liljegren. Insbesondere "We Will Go" - "The Way" hat auch lyrisch einen satten DIO-Einschlag - dient sich dabei der allzu fröhlichen Euro-Schule nach HELLOWEEN an, gleichwohl mit angemessen kraftvollem Sound, der übrigens alle Stücke ziert.
Im Gegensatz zu den beiden vorangegangen Projekten sollen DIVINEFIRE wohl ein experimentelles Feld für den gottesfürchtigen Sänger und umso mehr den hauptsächlichen Komponisten sowie Allesspieler Jani Stefanovicsein, bloß reicht es bislang nicht zu einem weitgehend ungenießbaren Bastard (huch!) aus Bombast mit tiefer als sonst fliegenden Riffs ("Open Your Eyes", kommt von "The Hero") und auch gesanglichen Eingeständnissen an die todesmetallische Moderne. Wenn eine Bandhymne so geschmacklos ausfällt wie "Divinefire" (Dance-Keyboards, statische Doublebass, übermotiviertes Solieren und Keksdosen-Chöre für Disney-Theatralik) oder "Golden Resurrection" (bei dem lahmen Refrain kann selbst ein Gottessohn keinen Felsen von seinem Grab stemmen), kann es mit der Karriere abseits des Galgenberges nichts werden.
"Live My Life For You" hat von allen Stücken - warum die "Band" so häufig vertreten ist, bleibt ein Geheimnis der Macher - den einfältigsten Text, dessen kriecherischer Charakter auch das Album "Glory Thy Name" prägt, von dem er stammt. Ehrlich, das Beste an DIVINEFIRE sind tatsächlich ihre nicht einmal schmerzhaften Versuche, die Vocals wie QUEEN zu harmonisieren. GOLDEN RESURRECTION dagegen, die ebenfalls mit zu vielen Stücken vertreten sind, zeigen mit "Proud To Wear The Holy Cross", wie sich eine Plüsch-Version von SABBATHs "Heaven And Hell" mit strunzdoofen Reimen ausmachen könnte: okaye Musik, abscheulicher Inhalt. "The Final Day" ist da wenig besser, die Klassikzitate sind eigentlich keine, sondern nahezu deckungsgleich adaptiert worden, aber fragt nicht, von wem. Man glaubt jedenfalls, das Gedudel - auch vom Rattenfänger-Stück "Flaming Youth" - schon von irgendwoher zu kennen. "God's Mercy" von "One Voice For The Kingdom" hingegen ist richtig flockig, ebenso das etwas entspanntere "Bright Morning Star". Erzählt mir was vom blinden Huhn und dem Korn ...
MODEST ATTRACTION ... Hm, die bis 1997 existierende Band war wohl ein Bestreben, Jesus mit Sleaze zu vereinen, also geschieht in "Down On My Knees" nicht, was der ferkelige Leser dieser Zeilen denken mag, sondern der Kautau vorm Lattenkarl mithilfe der Kompositionsmuster von MÖTLEY CRÜE und Konsorten, bloß hört sich das Ergebnis eher an, als hätten alle erdenklichen Formen von Arthritis die Glam-Szene der Achtziger heimgesucht - nicht Drogen, Alkohol und AIDS oder weiß der Teufel was sonst ... ähem. Im Kontext ist die Beteiligung von NARNIA beinahe schade, da die Musik von Carljohann Grimmark die meiste Substanz birgt, gleichzeitig da dem Gitarristen Aktionismus von jeher fern liegt.
Angesichts des kriecherischen Duktus, mit dem man sich hier sowohl vor einem Gott als auch potenziellen Hörern prostituiert, kann der Rezensent Gottesfürchtigen nur raten: Stärkt euren Glauben ohne Musik oder mit solcher, die den Gekreuzigten nicht mit der Brechstange vom Holz bricht. Freigeister, die sowieso über die Texte hinweghören, erhalten gleichsam wenig Mehrwert, weil es das Songwriting bis auf wenige Ausnahmen einfach nicht bringt. Vor diesem Hintergrund lässt sich ein entschiedenes Hoch auf intensive Kirchenmusik aussprechen. Politische Korrektheit? Beati pauperes spiritu? Drauf gepfiffen, Amen.
FAZIT: "Metal For Jesus" ist sowohl musikalisch als auch konzeptionell eine Beleidigung, sowohl für ernsthafte Musiker als auch den glaubenden und dennoch wissenden Schlag Mensch, für den in diesem Bereich allen voran SAVIOUR MACHINE stehen. Diese Ikea-isierung von harter, aufwieglerischer Gitarrenmusik zeigt Emotionen so überzeugend wie die Frauwerdung aus Adams Rippchen und Kompositionen so unflexibel, dass man wirklich denkt, alles andere als Viervierteltakte und offensichtliche Dur-moll-Wendungen sei eine Sünde
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.08.2013
Doolittle
77:31
23.08.2013