Dass VESPERO die Speerspitze des instrumentalen Prog im Osten darstellen, wurde hier bereits häufiger angedeutet, aber in so bestechender Form wie mit "Droga" nun hätte man die Russen beileibe nicht zurückerwartet. Das Album schüttet ein Füllhorn von Ideen aus und klingt wesentlich leichter verdaulich, als es die Band zuletzt tat. Entschlackung oder verspäter Frühjahrsputz? Egal, klasse allemal.
Mit "Steppe" fühlt man sich zunächst in eine ebensolche in der Mongolei versetzt: orientalisch folkloristische Streicher und Kehlkopfgesang, nicht mehr. Dann setzen die Musiker zu einem hibbeligen Parforceritt an, der sowohl rhythmisch als auch in puncto Melodien mit allen Wassern gewaschen ist. Hier geschiet innerhalb von zehn Minuten deutlich mehr als in der eher Space-rockigen Vergangenheit der Russen, dies eingedenk eines sinnvoll entspannenden Endes. Die Atmosphäre dort greift man im FLOYD-igen "Red Pitfalls" erneut auf, dem im ersten Teil bisher vermutlich zudringlichsten Stück von VESPERO, auch wenn es zwischendurch fast fiebrig wie im frühen Fusion Jazz von Miles Davis zugeht.
Der improvisatorische Charakter ist mittlerweile demzufolge ein wenig in den Hintergrund gerückt. Das träumerische Feeling von "Maui" (geschichtete Synthesizer zeichnen dafür verantwortlich) wird von agilem Bassspiel konterkariert und entstammt ebenso wie der stete Puls von "Thymus" nur noch teilweise dem Weltall, was nicht zuletzt an Klabukov fan-tast-ischer Arbeit hinter seinen Batterien liegt. "Oboo" verfolgt eine ähnlich stringente Linie vor dem Hintergrund des Dschungel-Grooves von OZRIC TENTACLES. Rein geräuschhafte Passagen verkneifen sich VESPERO mittlerweile; dafür bekommt man es etwa in "Halo" mit beeindruckender Virtuosität zu tun, die der Eingängigkeit (das kurze Hauptmotiv hypnotisiert) nicht einen einzigen Abbruch tut. "Marine" hingegen scheint nur vom Titel her einen Rückgriff auf "Subkraut" zu markieren, ist aber in Wirklichkeit ein perkussiv geprägter Schleicher, dessen tiefe Frequenzen den Namen zu rechtfertgen scheinen.
"Frozen Lillies" bringt gar Akustikgitarren zu gehör und verbindet den nur noch phasenweise psychedelischen Instrumentalsound mit nahezu liedhaften Elementen, wobei insbesondere die Dynamik hervorzuheben ist. Russland ist längst international aufgestellt, wenn es um Produktionen geht, und diese hier ist nichts weniger als großartig: zeitgenössisch wie warm, druckvoll wie natürlich - auch wenn der Elektronik wie im finalen Titelstück (anrührende Frauenstimme aus dem Off auch) einen besonderen Platz eingeräumt wird.
FAZIT: Mit "Droga" befinden sich VESPERO in der Form ihres Lebens. Die Russen denken alle Spielarten progressiver Rockmusik mit diesen neun Stücken an und sind dennoch ganz sie selbst, wobei sie nach wie vor so wenig wie kaum eine andere Band einen Sänger brauchen - so ausdrucksvoll ist ihr perfekt aufeinander eingestimmtes Spiel. Bravo!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.08.2013
Arkady Fedotov
Arkady Fedotov, Elena Belozyorova
Alexander Kuzovlev
Arkady Fedotov, Alexey Klabukov
Ivan Fedotov
Vladimir Belov (Cello) Alexey Esin (Flöte, Saxofon)
RAIG
72:55
05.07.2013