Wer kennt es nicht, das wunderschöne Gefühl, mal am Wochenende einfach im Bett liegen zu bleiben – und genau die Dinge zu machen, auf die man unglaubliche Lust hat und zu denen man in der arbeitswöchentlichen Alltagshektik einfach nicht kommt?
Ja – was tut man dann also?
Genau – man wirft seiner geliebten Partnerin, die neben einem liegt, einen liebevollen Blick zu, holt seinen Laptop vor, schiebt „Suitcase“ von VICTORY VALLEY in den CD-Schlitz und beginnt das Album dieser deutschen Folk-Pop-Band zu besprechen.
Doch dann regt sich etwas im Bett.
Neben einem!
Und der Auslöser dieser (Er-)Regung ist der Song „Velvet Glove“, bei dem sich die Band nicht hat lumpen und sogar <a href=" https://www.youtube.com/watch?v=rnlANguloEM&feature=player_embedded " rel="nofollow">ein sehr aufwändiges, auf lustig getrimmtes Video</a> aufnehmen lassen. Denn plötzlich schaut einen von der anderen Bettseite ein noch recht verschlafener Kopf an und spricht die folgenden Worte: „Du, die Melodie kenne ich aber! Die ist doch ganz bekannt und die habe ich früher ganz oft gehört. Ich weiß nur nicht mehr ganz genau, von wem die ist!“
Da wird der die andere Bettseite bevölkernde Schreiberling hellwach: „Stimmt. Nur woran erinnert einen die Musik, die im Refrain auftaucht und sich in den Erinnerungslücken des Hirns breit macht?“
Es dauert lange bis man beim Hirn-Wühlen fündig wird.
Weit zurück gehen die Erinnerungen – bis zu den Anfängen der Neuen Deutschen Welle, als einen eine piepsige Stimme und eine Mammut-Hookline regelrecht in den Irrsinn trieb mit diesem: „Ich habe heute nichts versäumt, denn ich hab' nur von dir geträumt.“ Das wurde auf die Dauer(-Rotation) so penetrant, dass insgeheim der pure Musik-Hass auf NENA in mir wuchs, weil plötzlich die ganze Musik- und Radio-Szene an solchem Käse festgemacht wurde.
VICTORY VALLEY also erinnern uns an die Neue Deutsche Welle, selbst wenn ihre Musik damit gänzlich nichts zu tun hat, aber wahrscheinlich genauso schnell abnutzen wird. Ein Album voller Pop-Folk-Balladen, die nur ganz selten in den knapp 50 Minuten mal rockig ausbrechen. „Suitcase“ - diese Tasche ist gefüllt mit zu viel Belanglosigkeit – so als wären darin die ewig gleichen Hemden und Hosen, welche man zwar immer wieder frisch gewaschen und neu anlegt, die aber im Grunde alle genauso aussehen. Da gibt’s ein bisschen FOOLS GARDEN zu hören, aber ohne das Tempo des „Lemon Tree“ zu erreichen. VICTORY VALLEY reiten wohl doch lieber mit HOUSMARTINS „Caravan Of Love“ durch Deutschland, aber hinterlassen dabei mächtig amerikanisch erscheinende, von der Sonne beschienene Berglandschaften. Musik-Cowboys, die statt auch mal wild zu galoppieren lieber gemächlich vor sich hertraben.
Musik, die sich schnell abnutzt und zu sehr nach einem Hit schielt.
Allerdings auch Musik, die unvollkommen ist, sich mal im Pop, dann wieder im Folk und am Ende beim Country anbiedert.
Musik, die auf Akustik statt Elektronik setzt – genauso wie es bereits SIMON & GARFUNKEL vor Ewigkeiten mit viel Erfolg praktizierten, selbst wenn sie nur selten ein Banjo einsetzten. Das Banjo, das eine Art Markenzeichen für VICTORY VALLEY wird und insgesamt die reizvollsten Momente auf „Suitcase“ setzt.
Auch ist, gerade wenn man sich für solche Musik der großen trabenden Freiheit entscheidet, die Stimme von FLORIAN DEUTZMANN nicht immer ganz „sattelfest“. Sein Gesang ist sanft, recht hoch, aber weist an einigen Stellen wohl mehr oder weniger ungewollte Brüche auf. Das hat dann doch schon wieder was von Neuer Deutscher Welle.
FAZIT: Lagerfeuermusik ohne Lagerfeuer. Refrains mit dem Charme der Neuen Deutschen Welle. Folk der ruhigen Sorte. Unaufgeregter Akustik-Pop, der durch einige Country-Gefilde hoppelt. Alles das gibt’s zu entdecken, wenn VICTORY VALLEY ihren Musik-Koffer öffnen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.12.2013
Christian Villwock
Florian Deutzmann, Martin Villwock, Christian Villwock
Martin Villwock, Florian Deutzmann
Marc Schwellenbach
Martin Villwock (Harfe & Banjo), Marc Schwellenbach (Cajon)
Eigenvertrieb / recordJet
49:29
29.11.2013