Nehmen wir es vorweg: VOIVOD ist ein Riesenkunststück gelungen. Sie erfinden sich zum x-ten Mal neu, ohne sich zu kopieren. Und das bei 30 Jahren Bandgeschichte und unzähligen Höhen und Tiefen, die man schön im Buch von Drummer Michel Langevin nachlesen kann, welches eigentlich seine völlig eigene Grafiken und Bilder zum Inhalt hat.
Nach der mehr oder weniger gelungenen Resteverwertung aus dem Nachlass des 2005 verstorbenen Gitarristen Denis D'Amour a.k.a. Piggy stand zu befürchten, dass VOIVOD die Segel streichen würden, zu einmalig schien dessen Gitarrenspiel zu sein. Aber verblüffenderweise entwickelte sich Live-Gitarrist Daniel „Chewy” Mongrain, von den Tech-Deathern MATYR kommend, im Laufe der Zeit zu einem fantastischen und sehr sympathischen Ersatz, ach was „Ersatz“, spieltechnisch brauchte er sich nie hinter dem Original verstecken. Aber würde er die sehr eigene Spielweise seines Vorgängers fortsetzen können, die übrigens von den Ami-Hardcorelern DIE KREUZEN maßgeblich beeinflusst wurde, ohne dass VOIVOD zu einer anderen Band werden würden? Und würde die Rückkehr von Original-Bassist Jean-Yves „Blacky“ Thériault nach 22 Jahren Studio-Abstinenz wieder das Feuer entfachen können, das der Band bis zu „The Outer Limits“ innewohnte?
Die Antwort ist einfach: Ja, ja und ja. „Target Earth“ ist die beste VOIVOD-Scheibe seit eben „The Outer Limits“ geworden, zumindest auf einer Zeitlinie betrachtet. Musikalisch sind VOIVOD 100% VOIVOD, ein Großteil der Songs könnte vom 1988er Album „Dimension Hatröss“ stammen, vertrackt, komplex, leicht schräge und voller Sci-Fi-Magie. Aber damit nicht genug, auch ein paar eingängigere Tracks haben den Weg auf „Target Earth“ gefunden, die auch auf „Angel Rat“ hätten sein können. Aber VOIVOD klauen nicht, weder bei sich, noch bei anderen, sie führen ihren ureigenen Stil fort, und sind dabei abwechslungsreicher als je zuvor. Gibt es irgendwelche großen Kritikpunkte? Den Gesang? Nein, variabel und eigen wie immer, auch wenn Denis Bélanger ein paar Pfund mehr auf den Rippen hat als früher. Die Drums? „Away“ ist einer der lässigsten und effektivsten Dummer, die man sich vorstellen kann. Der Sound? Typisch VOIVOD, der Bass treibend drahtig, die Gitarre scharf und alle Saiteninstrumente kaum heruntergestimmt, das Endresultat ist genauso alt wie modern, die Symbiose ist perfekt gelungen.
FAZIT: Das klingt im Januar kurios, aber „Target Earth“ ist ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres 2013. VOIVODs beinahe perfekte Rückkehr.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.01.2013
Jean-Yves Thériault
Denis Bélanger
Daniel Mongrain
Michel Langevin
Century Media
56:42
18.01.2013