Das Ausschlachten geht weiter wie bei anderen Ex-Größen, die noch einmal ein Album herausbringen: Anderswo wird allerdings hinterher aufgewärmt und angeblich aus Archiven geborgen, den Fans für wichtig verkauft und als rar angepriesen, was letztlich kalter Kaffee ist. WHITESNAKE beziehungsweise ihr Label sind sich dazu zu schade, rechtfertigen diese weitere Live-Scheibe (sieh das Japan-Ding vor nicht allzu langer Zeit) aber mit der fadenscheinigen Behauptung, Anhänger der Band hätten sie gefordert. Nun ja ...
Dieser Doppeldecker nun wurde aus den fast 100 Shows der jüngsten Welttournee zusammengestückelt, das Publikum weit in den Vordergrund gemischt und der Sound der Band fett aufgeblasen. Ob und was (der Gesang?) nachbearbeitet wurde - diese Frage ist mittlerweile fast müßig, weil man sowieso von alten Hasen wie neuen Bands an der Nase herumgeführt wird, was die Echtheit ihrer Performance betrifft - und dazu muss man nicht einmal Konzertmitschnitte anführen, sondern auch Studioalben.
Wie dem auch sei: Das Klangbild der Darbietungen rückt WHITESNAKE nahezu in den Heavy Metal, zuvorderst mit dem kernigen "Bad Boys" und während des Speed-Boogie-Doppels aus "The Badger" und "My Evil Ways", während die beiden PURPLE-Kompositionen zum Schluss ohnehin schon immer Headbanger-Stoff waren. Das jüngere "Forevermore"-Material wirkt auf der Bühne sogar noch lebendiger, etwa "Steal Your Heart Away", das sich als Mega-Abräumer zeigt.
Die Klassiker der Band stampfen wie nie, beispielsweise "Give Me All Your Love Tonight" und "Lay Down Your Love", Stadion-Ware der Marke "Deeper The Love" und "Love Ain't No Stranger" wirkt opulenter denn je, nicht zu vergessen der beste von mehreren Ruhepolen in der kompilierten Setlist, nämlich "Fare Thee Well" statt des nur kurz angespielten "Soldier Of Fortune". Dem zum Trotz lautet der allgemeine Tenor auf "Made In Britain / The World Record" allerdings eher: volle Kraft voraus.
Das Klampfen-Fest "Pistols At Dawn" markiert neben dem Blues-Instrumental "Snake Dance" einen selten exklusiven Höhepunkt, womit man im Übrigen erneut die hörbare Harmonien innerhalb des Bandgefüges ansprechen könnte: WHITESNAKE scheinen momentan den Spaß ihres Lebens zu haben, statt dass es sich bei ihnen um eine Finanzinteressengemeinschaft handeln würde. Man mag sich über die Notwendigkeit des zigsten Aufgusses von "Here I Go Again" oder "Ain’t No Love In The Heart Of The City" (lange ausgewalzt in der hier vertretenen Version) streiten, aber mit dieser Nachlese stellt David Coverdale klar, dass seine Band den Blues der Anfangstage ebenso wenig vergessen hat wie die Hochglanz-Phase, aber eben im Hier und Jetzt musiziert ... und in dieser Form - wie gesagt, falls das zu Hörende authentisch ist - darf sie das gerne noch eine Weile tun.
FAZIT: Diese Doppel-Live-Vollbedienung ist wirklich eine ebensolche und kurzum Pflicht für den Fan - trotz seines gebeutelten Geldbeutels - sowie jedermann, der satten Hardrock (!), herausragende Handarbeit und spielgeile Musiker mit tollen Songs vor großem Auditorium hören wollen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.06.2013
Michael Devin
David Coverdale
Doug Aldrich, Reb Beach
Michael Ruedy
Brian Tichy
Frontiers / Soulfood
143:17
05.07.2013