Wieviele Jahre haben WINTERSUN nochmal gebraucht, um ihr zweites Album auf die Reihe zu bekommen? Richtig, acht lange Jahre hat man sich gegönnt, um dem selbstbetitelten Erstling "Time" folgen zu lassen. Das man dann auch erst einmal auf zwei Teile gesplittet hat, um den Hörer nicht zu überfordern. Ist klar. Angenommen, auch "Time II" ist wie "Time I" 40 Minuten lang - wer bitte schön wäre denn mit 80 Minuten symphonischem Breitwand-Metal zwischen ENSIFERUM, NIGHTWISH, BLIND GUARDIAN und CHILDREN OF BODOM wirklich überfordert? Wie wenig traut man dem Musikhörer heutzutage noch an Kozentrationsfähigkeit zu?
Zugegeben, WINTERSUN haben nicht gerade kurze, eingängige Songs für "Time I" aufgenommen. Im Grunde genommen gibt es sogar nur drei echte Songs auf diesem... ok, nennen wir es Album, nämlich "Sons Of Winter And Stars", "Land Of Snow And Sorrow" und "Time". "When Time Fades Away" ist ein langes Intro, "Darkness And Frost" ein Zwischenspiel. Diese drei Songs jedoch werden mit allem aufgeplustert, was man von cineastisch anmutendem Metal erwartet: orchestraler Bombast im Übermaß, große hymnenhafte Melodien, folkloristische Epik, peitschendes Uptempo, zarte ruhige Parts, männliche Chöre, hartes Gekeif, wohlklingender Klargesang. Besonders gelungen, auch wenn sie auf dem Papier erstmal nicht so recht dazu zu passen scheinen, sind asiatisch anmutende Harmonien, die immer mal wieder eingeflochten werden in dieses unheimlich dicke Gewebe, das einen schlicht und ergreifend plättet.
Angesichts der Vielzahl an nicht-metallischen Instrumenten und Sounds ist man allerdings geneigt, hier schon fast eher von einem Soundtrack mit harten Gitarren zu sprechen, statt von einem Metalalbum, das mit ein bisschen Bombast aufgepeppt wird. Den Vorwurf mussten sich NIGHTWISH zuletzt auch schon gefallen lassen, aber da war die Wirkung anders, weil die Songs greifbarer und eben mehr Song waren, als es bei WINTERSUN der Fall ist. Zugutehalten muss man Mastermind Jari Mäenpää allerdings auch, dass man das wohl kaum besser machen kann, auch wenn ein Tuomas Holopainen letztlich immer noch der bessere Songschreiber ist.
FAZIT: Im Grunde genommen ist es eine Farce, dass man "Time I" und "Time II" nicht als ein Album veröffentlicht, denn auch wenn hier unheimlich viel passiert - so anspruchsvoll ist das Gebotene dann auch wieder nicht. Acht Jahre Reifezeit waren wohl eher acht Jahre Aufblähzeit - im Kern ist "Time I" jedoch kein schlechtes Album, wenn man heutztage noch Spaß an der Machart hat.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.01.2013
Jukka Koskinen
Jari Mäenpää
Jari Mäenpää, Teemu Mäntysaari
Kai Hahto
Nuclear Blast / Warner
40:07
19.10.2012