Dieses Quartett aus Texas reicht ein unerwartet herausragendes Instrumental-Rockalbum ein, dessen Qualitäten einzig vom etwas pappigen Sound getrübt werden.
Zunächst einmal klingt das Schlagzeug (Reuben ist ein gestandener Mann und verdingt sich auch bei MEYVN sowie IZRAFEL) derbe nach einem Computer, doch die Musiker - allen voran Gitarrist Witch, der sich befremdlicherweise zum Greis geriert, was man sich unbedingt in Videos der Gruppe ansehen sollte - legen neben gefühlvoller Virtuosität auch ein wunderbares Verständnis von Songwriting an den Tag. "Leave No Space" beginnt mit einem flirrenden Bienenschwarm-Motiv und dekliniert dann das halbe Vokabular zeitgenössischer Gitarrenmusik von Fusion bis hin zu "djentigen" Tieflader-Riffs.
Witch schafft es während des atmosphärischen "Awkward Moments" und auch später noch, eine Gesangsstimme unerheblich zu machen (das Zwischenspiel "In My Mind" ist allerdings narrativer Natur und wirkt spukhaft avantgardistisch wie SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM), und wo man in der Regel rhythmisch vertrackt an seine Kompositionen geht, bleibt "Makron" als imaginärer Videospiel-Soundtrack recht straight ("Rakanishu" müsste eine Figur aus dem Klassiker "Diablo" sein, wenn sich der Schreiber nicht täuscht), wobei es aber über einen fabelhaften Spannungsbogen verfügt.
Mit "Leprechaun Cave" weitet man dieses Konzept unter Einsatz eines Synthesizers (positiv kitischiger Dancefloor-Sound) aus, schwenkt aber auch phasenweise auf sehr melodisches Rock-Terrain über. Der stimmungsvoll unverzerrten Picking-Übung "Tear's Dream" und dem Stimmexperiment "Note To Self" folgt mit "Off The Rocker" ein vorübergehender Ausflug in Blastbeat-Gefilde wie Doom-Manierismen gleichermaßen, was eingedenk der singenden Leads für einen originellen Mix sorgt, und letztlich ist es auch dieser Eklektizismus, der WITCH DIARIES zu einer eigenständigen Note im weiten Feld der Instrumental-Bands verhilft.
"Brindisi" mit einem Gastbeitrag der schrillen Sängerin Caity Anderson-Patterson ist das definitiv stärkste Stück der Scheibe und fügt dem bunten Reigen, der Fans jedweder Stilistik, die Wert auf gediegene Musizierkunst legt, anempfohlen sei, mit jazzig sachten Momenten eine weitere Soundnote hinzu.
FAZIT: WITCH DIARIES' "#1" wäre mit einem fülligen Sound eine absolut zwingende Instrumentalscheibe; so bleibt sie vermutlich nur Menschen vorbehalten, die intensiv nach ebensolchen stöbern, wobei der schrullige Charakter verhehlt, wie ernst es die Macher meinen. Zwischen Satriani-Platten und jenen der neuen Riege des Progressive Metal reiht sich das Teil als Demo jedoch bestens ein.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.03.2013
Shawn Orrick
Rachel Savoie, Witch
Reuben Posey
Eigenvertrieb
32:25
12.03.2013