Es ist schon legendär, das Zitat vom Trail-Kopf JASON REECE, der zu den Live-Auftritten von ... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD behauptet: „Wir spielen, bis bei uns das Blut fließt!“ Mit dieser DVD vom 2009er Rockpalast-Auftritt in Köln dürfen wir uns nun davon überzeugen, wie viel Wahrheit in Reeces Worten steckt. Doch nebenbei sollte man sich vielleicht auch auf die Musik konzentrieren, die bei Weitem nicht so spektakulär rüberkommt, wie die ganzen Eskapaden der Amis, die zwar gehörig auf den Putz und ihre Instrumente hauen, aber das nicht immer zu einem wahren Musik-Erlebnis werden lassen.
Bereits die massiven gesanglichen Schwächen von CONRAD KEELY und JASON REECE, die sich mehr auf krähend-krachige Punk-Intonation als auf wirklich vokalistische Glanztaten einlassen - oder es einfach nicht besser können - verleihen dem Shoegaze-Gehabe auf der Bühne einen weniger angenehmen Beigeschmack, der ähnlich schal ist, wie das Bier, welches in der Kölner Music Hall in durchsichtigen Kunststoffbechern ausgeschenkt wird.
Krachige Gitarrenwände und ein, manchmal sogar zwei hämmernde Schlagzeuge übertünchen dabei oftmals den rauen Gesang, während Keyboarder CLAY MORRIS genauso wenig musikalisch in den Vordergrund treten darf, wie er auch mit angenehm zurückhaltender Erscheinung seine Passagen einspielt. Die nur hört man kaum in dem breiigen, gitarrendominanten Sound, der alles unter sich begräbt.
Sehnsuchtsvoll genießt man auch mal die ruhigen Momente, in denen man tatsächlich auch einzelne Instrumente heraushört - doch diese Eindrücke sind auf „Live At Rockpalast 2009“ nur sehr rar gesät. Dafür dürfen wir uns natürlich an einigen Kuriositäten ergötzen.
So geht beispielsweise Sänger JASON REECE, während er lauthals „Caterwaul“ singt, mitten durchs Publikum bis zur Theke am Ende des Saals und holt sich dort ein großes Bier im Plaste-Becher, das er dann nicht etwa trinkt, sondern ins euphorische Publikum schleudert. KEVIN ALLEN dagegen präsentiert uns, wie gut er seine Gitarre auch in der Rückenlage spielen kann, während Bassist JAY LEO PHILIPS den Beweis antritt, dass das Rauchverbot zwar vor, aber nicht auf der Bühne gilt und außerdem ein Schlagzeug nicht nur mit Drumsticks, sondern auch mit Füßen bearbeitet werden kann, bis es in die ewigen Trommel-Jagdgründe einziehen darf. Na ja, seit THE WHO ist solches Musikergehabe ja nichts Neues, auch wenn es nicht gerade die Achtung eines Musikers zu seinem Instrument zum Ausdruck bringt.
Insgesamt viel überschüssige Energie, die da auf der Bühne abgebaut wird, jedoch nicht nur im positiv-musikalischen Sinne. Vielleicht klingt das jetzt uncool, aber es wäre einfach besser, wenn die amerikanischen Musik-Energiebündel etwas intensiver an ihrem Live-Sound feilen würden, als sich zu intensiv und artfremd an ihren Instrumenten abzuarbeiten. Ruf hin oder her - aber bei ... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD ist mehr Show im Spiel, als es am Ende der Wirkung ihrer Musik entgegenkommt.
Gerade mal 80 Minuten Konzert werden dann noch durch gut 30 Minuten unterschiedlicher Boni ergänzt, als da wären:
Im strömenden Regen beim „Rheinkultur Musikfestival 2005“ dürfen wir 12 Minuten lang in schlechter Klangqualität uns erneut dem wildem Umwerfen des Schlagzeugs widmen und nebenbei natürlich noch „Totally Natural“ und „A Perfect Teenhood“ hören - mit der anschließenden Warnung der Musiker, dass man Gleiches nicht zuhause nachmachen soll!
Dann folgt der 2006er Auftritt auf dem Melt! Festival, welcher der einzige Auftritt der abgefahrenen Amis in besagtem Jahr in Deutschland war, wobei sich der Sänger mit einem Ordner anlegt, weil er unbedingt zur Freude seiner Fans eine Monitorbox zerlegen will. Auch wenn sich der Ordner am Ende als Retter der Technik erweist, gibt's eben direkt vor der Kamera noch einen grandiosen Stinkefinger zu sehen. Der pure Punk'N'Roll eben - aber spätestens seit LED ZEPPELIN erscheinen solche Eskapaden, für die sich Maestro PAGE heutzutage schämt, dann doch eher peinlich als beeindruckend, besonders weil die Musik dabei zumindest bei TRAIL OF DEAD ziemlich auf der Strecke bleibt.
Zu guter letzt präsentieren sich Keely & Reece noch im Interview, in dem wir nicht nur erfahren dürfen, dass Keely sehr ernsthaft und langwierig an der Gestaltung der Band-Cover, die wirklich schwer beeindruckend sind, arbeitet, sondern sie führen auch ein ausgiebiges Gespräch über Heino, von dem ihnen durch Zufall eine Platte in die Hände gefallen war. Zum Glück kam das Gespräch aber ohne Nazi-Vergleiche aus, wogegen seine Affinität für Tiere, wie deutsche Schäferhunde, und seine Hannelore, aber natürlich auch Haar-Toupets und Sonnenbrillen thematisiert und durch den Kakao gezogen wurden. Dafür aber dürfte aus heutiger Sicht unsere obere, singende schwarzbraune Haselnuss stolz darauf sein, dass er als Porträt an einer Wand in der Kölner Music Hall von CONRAD KEELY verewigt wurde. Vielleicht covert HEINO ja demnächst aus Dankbarkeit auch gleich mal einen Song von ... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD!
FAZIT: Ein ziemlich enttäuschender Konzertmitschnitt der amerikanischen Shoegaze-Epigonen, die sich live neben dem Zerlegen der Instrumente wohl mehr um einen besseren Sound und wohlkingenderen Gesang bemühen sollten. Wer jedoch auf bombastische Klang-, aber nicht Klagemauern steht, der wird auf diesem energiegeladenen Todesgleis garantiert abfahren und so einige Post-Rock-Schallmauern durchbrechen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.06.2014
Jay Leo Philips
Conrad Keely, Jason Reece
Conrad Keely, Jason Reece, Kevin Allen
Clay Morris
Aaron Ford, Jason Reece
MIG Music
111:00
19.05.2014