Unvorbelastet kehrt das Improvisationstrio um Nils Økland, Sigbjørn Apeland und Øyvind Skarbo mit seinem vierten Album zurück auf die Bildfläche. Der Albumtitel nicht mehr als eine Beschreibung der klassischen Vinyl-Aufteilung, die Songtitel namenlos (abgesehen von ihrer Laufzeit), das Cover eine derart banale Aufnahme einer Seitenstraße aus dem norwegischen Nirgendwo, dass man ebenso gut eine weiße Fläche hätte nehmen können, zumal es das gleiche Motiv zeigt wie die vorhergehende 2012er-Kollaboration mit BJ Cole, nur aus einer anderen Perspektive aufgenommen. Hieraus kann alles entstehen, wenn nicht noch mehr.
Beim Blick auf die Laufzeit der Titel ist die A- und B-Seiten-Aufteilung nur folgerichtig. Den Einstieg liefert ein 18-Minüter, der die A-Seite alleine füllt, derweil die restlichen fünf Stücke ihre fragilen Gebilde zwischen einer und fünf Minuten lang aufrechterhalten. Weiterhin agiert der Kern dort alleine, während für den Opener allerhand Gäste eingeladen wurden.
Alles in allem zu Neunt formt man „18:16“ zu einer wuseligen Collage, die wie vom Wind gesteuert mal diese, mal jene Richtung einschlägt. Vor allem Bläser dehnen ihren Resonanzbogen und ziehen ihn zusammen, imitieren das Blatt, das weich zu Boden fällt und dann doch vom einem Luftstoß nochmals zu einer schnellen Pirouette gezwungen wird. Je mehr Spieler sich einbringen, desto stärker gleicht das Stück der Soundtrack-Untermalung eines Stummfilm-Sketches, bei dem eine weiß geschminkte Gestalt sich einem Gegenstand nähert, der ihm nicht geheuer ist und der immer wieder plötzliche Bewegungen ausführt. Nach etwa neun Minuten setzt überhaupt erstmals Øyvind Skarbos Percussion ein und die übrigen Instrumente regen sich zunehmend auf, derweil die einzige Konstante im Hintergrund ausgerechnet ein schwelender Dissonanzkörper ist, der zusätzlich Unruhe stiftet. In diesen Momenten wird man an das jüngst ebenfalls bei Hubro erschienene SKADEDYR-Debüt „Kongekrabbe“ erinnert, wie eine ätherische Entsprechung des dort zelebrierten Unterwassergewimmels wird das vom Chaos geleitete Treiben bildhaft gemacht, bevor Øklands prägnante Hardingerfiedel ein beißendes Leitmotiv entstehen lässt, das von Skarbos Pauken auf den Punkt gebracht wird. Der entspannende Ausklang lässt dann SKADEDYRs jugendlichen Aktivismus hinter sich und führt die experimentell eingesetzten Folkloreinstrumente auf ihren traditionellen Ursprung zurück.
Geregelter geht es dann auf der zweiten Seite zu, auf welcher 1982 sich wieder konventionelleren Strukturen annähern (alleine schon durch die konstantere perkussive Auskleidung); auf „03:12“ steuert Økland sogar lautmalerischen Gesang bei. Mit „02:01“ geht es immerhin lauthals los, Skarbo und Apeland sind zu keinem Zeitpunkt auf dem Album beschäftigter, das Intermezzo „1:08“ scheint sich sogar zeitlich rückwärts zu bewegen, das rauschige „05:00“ (klingt, als würde man zur Rhythmusuntermalung mit der Regenjacke über das Becken scheuern) stiftet hingegen zum Ausklang Frieden.
FAZIT: Norwegische Folklore für eine halbe Stunde aus den Fugen gehoben. In der ersten Hälfte völlig vogelfrei improvisiert, später dann gemäßigt experimentell und reduziert, hält das nach nunmehr vier gemeinsamen Alben wohl als eingespielt geltende Trio jederzeit die Verbindung zu jener besonderen, kühlen Atmosphäre, die so nur diesseits norwegischer Gebirgslandschaften entstehen (nicht jedoch nur dort genossen werden) kann.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.06.2014
Nils Økland
Øyvind Skarbo
Nils Økland (Hardangerfiedel, Violine), Sigbjørn Apeland (Harmonium, Piano), Fredrik Ljungkvist (Klarinette), Sofya Dudaeva (Flöte), Hanne Liland Rekdal (Fagott), Erik Johannessen (Posaune), Mattias Wallin ( Tenorhorn), Stian Omenas (Dirigent)
Hubro Music
33:41
02.05.2014