Betrachtet man ANEKDOTEN als musikalisches Äquivalent zu Sjöwall/Wahlöö, so gleichen ÄNGLAGÅRD in etwa Håkan Nesser – bezogen auf eine Handvoll seiner besten Bücher.
Drei Studio-Alben in zwanzig Jahren, ebenso viele Live-Werke, wenn man wikipediamäßig neben „Buried Alive“ , „Mexico City“ und „Live Milwaukee“ mitzählt. Die in einem Zeitraum von knapp vier Jahren erschienen sind. Achtzehn Jahre später sehen wir uns bei „Prog på svenska“ in Japan wieder, hochoffiziell und sogar als Doppel-Album. Das keinen Zweifel lässt, warum die schwedische Band Kultstatus genießt – auch und gerade im fernen Osten – und jedem Lebenszeichen entgegengefiebert wird. ÄNGLAGÅRD sind Progressive Rock par excellence; so inständig wie experimentierfreudig. Hier trifft Gefühliges auf Abstraktes, fetter Prog auf fragilen Folk und verzwickten Jazz; reibt sich, kämpft und geht im Schulterschluss durchs Ziel.
ÄNGLAGÅRD können bruchlos Seelenbalsam spielen wie vertrackt an den Nerven zerren. Das Mellotron wird’s schon richten. Und tut es auch. Wie die Flöte, die Hackettsche Schmacht-Gitarre, die klassische Hammond-Orgel oder die bleischweren Rhythmen. Ein weitgehend instrumentaler Ritt („Kung Bore“ stellt die schwedischsprachige Ausnahme) durch die Höhepunkte progressiven Schaffens der letzten vierzig Jahre. Wobei ÄNGLAGÅRD ‚im Geiste von‘ GENESIS, KING CRIMSON, ZAPPA und was Euch sonst noch beliebt, spielen, aber nicht plagiieren. Gut, die schwedischen Nachbarn ANEKDOTEN und SINKADUS halten ebenso freundschaftlich Händchen, gerade was die folkorientierten Parts angeht („Jordrök“).
Klangtechnisch ist das für ein Live-Album von bestechender Klarheit und Direktheit. Das japanische Publikum verhält sich vorbildlich – wenn Stille die Maßgabe ist. Selbst der Beifall klingt diszipliniert.
FAZIT: Kinners, „Prog på svenska – Live In Japan“ schwimmt sogar in Milch. Grandioses Live-Album einer Band, die sich leider viel zu rar macht. Oder gerade deswegen? Ein Kessel bunter Prog-Geschichte, zwischen Klassik und Moderne - Jazz, Folk und avantgardistischen Extravaganzen nicht abgeneigt. Jederzeit stimmungsvoll und homogen. Dank uneitler Instrumental-Tour-De-Force entfällt auch ‚Lost In Translation‘.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.05.2014
Johan Brand (geb. Högberg)
Tord Lindman
Tord Lindman
Linus Kåse, Anna Holmgren
Erik Hammarström
Anna Holmgren (fl., rec., sax., melodica), Johan Brand (geb. Högberg), Tord Lindman
Änglagård Records/Just For Kicks Music
42:50/44:02
14.05.2014