Schon beim letzten ALESTORM-Output „Back Through Time“ aus dem Jahr 2011 war ich mir nicht sicher, warum zum holzbeinigen Seeteufel ich diese Combo eigentlich gut finde. Euro Power Metal trifft Titanic-Soundtrack trifft Piratennostalgie trifft Quetschkommode – so ziemlich alles an diesen Zutaten steht beim Verfasser dieser Zeilen auf dem Index, und doch schaffte es „Back Through Time“, Durchgang um Durchgang im CD-Player zu verweilen. Das hat auch „Sunset On The Golden Age“, das vierte Album der Schotten, geschafft – allerdings wird es mit Fertigstellen dieser Kritik keinen einzigen weiteren Durchgang mehr geben.
Der Stil hat sich in den letzten drei Jahren (natürlich) kaum geändert, noch immer gibt es luftig arrangierten Euro Power Metal, der mit Schunkelmelodien und folkigen Anleihen daherkommt – damit sind ALESTORM groß geworden, daran wird sich vermutlich auch nichts ändern, auch wenn irgendwann einmal die stilistische Sackgasse droht. Für den durchschnittlichen Metal-Fan ist „Sunset On The Golden Age“ vor allem immer dann erträglich, wenn es nicht nur flott, sondern mal richtig schnell zur Sache geht, wenn der Fokus auf sägenden Riffs liegt und nicht auf ultraeingängigen Melodien, die das Akkordeon vorgibt.
Auf dem vierten Studioalbum gibt es von diesen Momenten aber deutlich zu wenige. Hier und da mal ein RUNNING-WILD-Gedächtnisriffs, hier mal eine kurze Knüppeleinlage, dort mal eine zünftige Growleinlage, dezente Thrash-Nuancen – doch darüber hinaus werden die Songs mit dem Kanonenrohr auf die Hörer geballert, die keine Chance haben sollen, auszuweichen. Denkbar, dass es genügend Leute gibt, die das toll finden, und denen soll an dieser Stelle auch keinesfalls der Spaß verdorben werden. Eingefleischte ALESTORM-Fans werden auf „Sunset On The Golden Age“ genügend Hits finden, die vor der heimischen Stereoanlage genauso gut funktionieren wie im alkoholgeschwängerten Festivalkontext. Alle anderen werden allerdings erneut Reißaus nehmen angesichts der teilweise furchtbar seichten Melodiebögen, der „Fernsehgarten“-kompatiblen Instrumentierung und der teilweise so eindimensional auf das Thema Alkohol ausgerichteten Texte, dass TANKARD dagegen wie eine Thinking-Man’s-Metal-Band wirken. Wenn in „Drink“ mantraartig „Wer Are Here To Drink Your Beer“ wiederholt wird, 125 Mal im Song „Drink! Drink! Drink!“ vorkommt, dann packt einen schon mal die pure Verzweiflung. Und der vielleicht beste Song des Albums, das zünftige und rumpelnde „Wooden Leg!“ wird durch den Refrain („Wooden Leg! Wooden Leg! Wooden Leg! I’ve Got A Wooden Leg! Wooden Leg!“) zum unhörbaren Waterboarding-Folterinstrument.
FAZIT: Um noch einmal auf den Einstieg zurückzukommen: Keine Ahnung, was ich seinerzeit an „Back Through Time“ toll fand; der Unterschied zu „Sunset On The Golden Age“ ist jedenfalls minimal. Dieses Mal schaffen es die Schotten mit ihrem Piraten Metal aber nicht, auch nur ansatzweise zu gefallen. Bei den meisten Fans der Band wird das aber mit Sicherheit anders aussehen.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.07.2014
Gareth Murdock
Christopher Bowes
Daniel Evans
Elliot Vernon
Peter Alcorn
Christopher Bowes (Keytar)
Napalm
48:39
01.08.2014