Na aber! Haben PORCUPINE TREE endlich mal wieder ein Album herausgebracht, welches an ihre frühere PINK FLOYD-Phase erinnert, ohne dass ich es bemerkt habe?
Oder setzen ANATHEMA weiterhin ihre floydig-progressive Prog-Kuschel-Phase fort?
Nein, vielleicht sind es doch nur die PINEAPPLE THIEF, die als offizielle floydianische Ananas-Diebe durchaus zu beeindrucken verstehen? Die waren ja immer trotz ihrer kriminellen Bandnamen-Neigung immer so schön entspannt wie verrückte Diamanten, die immer mal wieder aufleuchten und dann verschwinden durften.
Oder gibt es da etwa was Neues aus dem Hause „ruhige“, leicht imitierte PINK FLOYD!
Es gibt - und es verwundert garantiert auch nicht, selbst wenn man mit dem Namen BJØRN RIIS, dessen erstes Solo-Album den reizvollen Titel „Lullabies In A Car Crash“ trägt, nicht viel anfangen kann. Viel mehr aber wird einem die Band etwas sagen, die er mit retroprogressivem Sachverstand sowie seiner DAVID GILMOUR-Gitarre durch das gänzlich gleiche Universum führt, in dem er sich auch mit seinem Solo-Album bewegt: AIRBAG! Nun aber wissen wir sogar, dass er auch wirklich gut singen kann, ohne wirkliche Charisma-Punkte, dafür aber bewunderndes Kopfnicken zu erhalten.
Im Grunde brauchte ich nur die Zeilen meines hoch geschätzten Kollegen Nils Herzog zu wiederholen, der zu AIRBAGs „Identity“ folgendes schreibt:
„AIRBAG verschreiben sich dem zutiefst atmosphärischen Art Rock: Langsame, getragene Rhythmen, verträumt schlendernde Basslinien und recht wenig Verzerrung an der Gitarre entführen auf einen intensiven Trip, der von Einsamkeit, Verlassensein und Trauer kündet. Das Ganze klingt dabei wie eine Mischung aus neueren ANATHEMA (zu ‚A Natural Disaster‘-Zeiten), RIVERSIDE und dem Neo Prog von MARILLION (ab ‚Seasons End‘).“ - Und schon wäre auch dieses Solo-Album des Norwegers hervorragend kritisiert.
Diese Erkenntnis sagt uns natürlich: „Nichts Neues aus dem Hause AIRBAG, egal, ob solo oder als Band, die Musik ist recht austauschbar, aber trotzdem für alle Anhänger progressiver Erinnerungs-Alben sehr reizvoll. In diesem Falle besonders für diejenigen, denen die Stachelschweine besonders zu der Zeit gefielen, als sie an die Floyd-Bäume pinkelten, um gezielt „Wish You Were Here“- und „Animals“-Duftmarken zu hinterlassen, so lange natürlich nur, bis der nächste darüber pinkelte.
AIRBAG gingen in punkto Bandnamen und Musikausrichtung eben schon immer auf Nummer Sicher.
BJØRN RIIS genauso!
Neu ist höchstens die extrem persönliche Ausrichtung der Texte, die sich den Schattenseiten des Lebens zuwenden und den Umgang mit der eigenen Angst, dem Verlassensein, der Entfremdung sowie schwer zu ertragenden Verlusten thematisieren.
Am Ende schleicht sich allerdings das Gefühl ein, dass der Titel „Schlafliedchen bei einem Autounfall“ doppelt Sinn ergibt. Ein Unfall passiert, der AIRBAG öffnet sich, der Musik liebende Autofahrer bettet seinen Kopf darauf und hört beim Wegschlummern dieses Album von BJØRN RIIS.
Es gibt durchaus schlimmere Unfälle!
FAZIT: Alle Fans von PORCUPINE TREE, natürlich PINK FLOYD, aber auch MARILLION und ANATHEMA können sich gerne auf diesen musikalischen Unfall einlassen und werden glücklich darüber sein, dass sie mit AIRBAG unterwegs waren. Wer allerdings Neues oder mutig Experimentelles erwartet, der wird wohl mehr zu der Erkenntnis kommen, dass dieses im Albumtitel enthaltene „Schlaflied“ durchaus seine Berechtigung hat.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.11.2014
Bjørn Riis
Bjørn Riis
Bjørn Riis
Bjørn Riis, Asle Tostrup
Henrik Fossum
Karisma Records
51:30
03.11.2014