„Wie ich lernte, im Dunklen zu sehen“!
Das ist der (ins Deutsche übersetzte) Titel des neusten Albums der Sängerin & Gitarristin CHRIS PUREKA.
Ein schöner Titel!
Und um die in unseren Regionen gänzlich unbekannte amerikanische Liedermacherin bei ihren musikalischen Sehversuchen zu begleiten bzw. verstehen zu können, müssen auch wir lernen, durchaus den Zwischentönen auf „How I Learned To See In The Dark“ zu lauschen und zwischen den Zeilen ihrer anspruchsvollen Texte zu lesen.
Allerdings hat es auch beinahe vier Jahre gedauert, bis Purekas Album in Europa angekommen ist, denn bereits im Jahr 2010 durften die Amerikaner das von Pureka besungene Dunkel sehen, während wir noch Jahre wartend darin herumirrten. Warum es so lange dauerte, bis es dieses Album auch mit der Hilfe von Haldern Pop Recordings über den großen Teich schaffte, ist schwer zu erahnen. An der Musik zumindest kann es nicht liegen, denn die vermag den Hörer ziemlich schnell zu fesseln.
Schon der Album-Opener „Wrecking Ball“, der nichts mit dem gleichnamigen Miley-Cyrus-Hit oder dem Video dazu zu tun hat, auf dem die gute Miley alle ihre Hüllen fallen lässt, damit alle notgeilen, aber musikalisch nicht sonderlich anspruchsvollen Herren wohl weniger dem dünnen Cyrus-Stimmchen lauschen müssen, weil sie mit ihrem eigenen Hammer zu kämpfen haben, während sie erleben dürfen, wie sexuell erregend doch so eine „Abrissbirne“ für die gute Miley sein kann.
Chris' „Wrecking Ball“ hat ein anderes Kaliber. Eins, bei dem man sich nicht nackt auf irgendeiner Abrissbirne rekeln kann, sondern wo man zuhören muss, weil hier eine Frau singt, die es wirklich kann und die es nicht nötig hat, dabei mit geilen musikalischen Nebensächlichkeiten aufzuwarten, getreu der unumstößlichen Wahrheit „Sex sells“. Dafür erinnert uns die Musik eher an den Charme früherer SUZANNE VEGA-Songs und der Text erzählt von den Problemen, die uns mitunter wie eine Abrissbirne im Leben erwischen und mit denen man umzugehen lernen muss, genauso wie man lernen muss, im Dunklen zu sehen.
Seit 14 Jahren ist CHRIS PUREKA nunmehr musikalisch unterwegs mit dem eigentlich mageren Ergebnis von drei Alben und zwei EP's. Dabei scheint ihr Qualität und Unabhängigkeit oberstes Gebot zu sein, weswegen sie wohl auch ein eigenes Label gründete, das den vielsagenden, traurigen Namen „Sad Rabbit Records“ trägt. Vielsagend und traurig – das passt auch zur Umschreibung der Musik auf „How I Learned To See In The Dark“.
Musik, die manchmal irische Wurzeln zu haben scheint, wenn Fiddle oder Pedal Steel erklingen, die aber auch mit Streichern atmosphärische Traurigkeit verbreitet, wenn CHRIS PUREKA über unerfüllte Sehnsüchte oder unerwartete Verluste singt. Wenn die Stimmungen dann umschlagen, Country- und Pop-Klänge die Führung übernehmen, kommt auch in den Texten wieder Hoffnung auf. Hier läuft nichts wirklich glatt, hier haben wir mit Ecken und Kanten zu kämpfen, die es uns nicht immer leicht machen, jeden Song zu mögen.
Bei „Broken Clock“ zum Beispiel weiß der Hörer nicht so richtig, woran er eigentlich ist – erst erscheint die Musik einen Country-Titel zu kreieren, der plötzlich aber in immer rockigere Gefilde abdriftet.
„Landlocked“ beginnt im Liedermacher-Stil mit Gitarre und Gesang, um am Ende mit mehr Fahrt sowie einer Fiddle im Country-Abenteuer zu enden.
Es passiert eben eine ganze Menge in der Pureka-Musik, für das im „Billboard Magazine“ eine wirklich passenden Umschreibung gefunden wurde: „Für eine Frau, die eher solo auftritt mit eher stillen als lauten Kompositionen, ist CHRIS PUREKA ziemlich unüberhörbar.“
Nur sollte derjenige, der dieser schlanken, so jungenhaft wirkenden Sängerin zuhört, auf jeden Fall auch ein gewisses Faible für Country-Musik haben, ansonsten würde sich wohl eher Enttäuschung als Begeisterung breit machen.
FAZIT: In der „New York Times“ wurde CHRIS PUREKA von einem Interviewer gebeten, ihre Musik in einem Satz zu beschreiben. Ihre Antwort war: „Traurige Folksongs von Einsamkeit und Schmerz, die sich danach sehnen, wieder zueinander zu finden.“ Ein ideales „Fressen“ eben für traurige (Label-)Hasen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.02.2014
Merrill Garbus, Andy Rice, Lyndell Montgomery, Anand Nayak
Chris Pureka
Chris Pureka, Erin McKeown, David Goodrich
Ken Maiuri
Sturgis Cunningham, Zak Trojano
Julia Reed & Lindell Montgomery (Fiddle)
Haldern Pop Recordings
50:15
21.02.2014