Es gibt leider viel zu oft Cover, die auf den ersten Blick regelrecht abschreckend wirken und im Grunde musikalische Erwartungen wecken, die im Falle von CINEMA (zum Glück) nicht erfüllt werden. Ein Schwertwal, durch eine Wolkendecke springend, während gerade ein Passagierflugzeug vorbeifliegt, ist so eine optische Entgleisung, welche sogar noch durch das Musikerbild im Inneren - „Keyboarder über den Wolken, ohne vorbeifliegendes Flugzeug“ - übertroffen wird.
Doch bereits nach den ersten Klängen von „Loopings“, die bedrohlich grollen statt diese himmlische Entspannungs- und Wohlfühl-Atmosphäre des Coverbildes zu verbreiten, kann sich beruhigt zurückgelehnt werden, denn mit Esoterik-Klängen hat JÜRGEN „PÖNGSE“ KRUTZSCH nichts am Hut. Wäre auch nur schwer vorstellbar, wenn man weiß, dass Pöngse in den 70er Jahren als Gitarrist bei den Krautrockern TIBET aktiv war - und nun bereits nach „Isolation“ (1985) und „The Magix Box“ (2013) sein drittes Keyboard-Solo-Album veröffentlicht, das glücklicherweise nicht nur aus synthetischen Keyboard-Sounds, sondern auch atmosphärischen und härteren Gitarrenklängen von BENJAMIN PEISER, der bereits auf „Magix Box“ mit dabei war, besteht. Auf dem mit knapp 7 Minuten längsten Track von „Loopings“ - „Lindbergh‘s Dream“ - wirkt außerdem mit DIETER KUMPAKISCHKIS zusätzlich ein zweiter TIBETer auf dem Album mit.
Bereits beim ersten Hören machen sich Erinnerungen an die späten 70er- und frühen 80er-Jahre breit, als an allen Ecken und Enden plötzlich ein fast hysterisches Faible für elektronische Musik entdeckt wurde und auch der Einsatz „toller Drum-Computer“ als moderner musikalischer Fortschritt empfunden wurde. Selbst die bis dahin noch als sehr experimentell und breitflächig schwebenden Klanglandschaften von TANGERINE DREAM wurden synthetisch und sogar recht poppig. Ähnliches galt für KLAUS SCHULZE, wobei im besten Falle gerade ASHRA durch eine geschickte Kombination aus elektronischer Musik gepaart mit faszinierenden Gitarrenimpressionen überzeugen konnten.
Nun also begibt sich CINEMA auf eine ähnliche Klangreise über die Wolken, welche neben den beteiligten Musikern als wichtigstes Bindeglied auch den „Magix Music Maker“ enthält, auf den Krutzsch schon seit seinem ersten Solo-Album zu schwören scheint. Nicht unbedingt Up To Date, aber durchaus akzeptabel, was er mit Hilfe dieses ursprünglich Windows-basierten Programms, welches auf einer leicht zu kombinierenden Loop- und Sample-Technik basiert, zustande bringt, wobei ganz besonders auch EROC, der das endgültige Mastering übernahm, einen gehörigen Anteil hat.
Die atmenden Aliens, welche das Album eröffnen - darum also das anfängliche Grollen - weckt in den ersten Minuten deutliche Erinnerungen an TANGERINE DREAM, sogar an ein ganz besonderes Stück: „Madrigal Meridian“. Ein paar Minuten später werden allerdings durch die schrecklichen Drum-Computer-Einlagen und einen komplett überflüssigen Techno-Rhythmus, die angenehmen TD-Eindrücke im Magix Music Maker recycelt. Schade - denn über das gesamte Album hinweg werden uns solche positiven Erinnerungen immer wieder durch negative, kalte, einseitig sich wiederholende Grundrhythmen zerschreddert, um sie auf einen elektronischen Kompostberg aufzuhäufen, wobei der größte Lichtblick die zum Glück immer stärker zum Einsatz kommende Gitarre ist. „Dreaming In The Dawn“ ist ein besonders gelungenes Beispiel dafür.
Dann, wenn CINEMA es gelingt, dieses Gefühl von warmen Key- und Gitarren-Klanglandschaften, das ASHRA schon vor gut 35 Jahren erschuf, auf „Loopings“ zu konservieren, entsteht beim Hörer genau das Ziel, welches Pöngse mit dem Projekt-Namen sicher erreichen will: ein Kino für den Kopf, gesteuert über die Ohren.
Doch immer, wenn man sich darin gerade wohl fühlt, dann nähern sich meistens einseitig stampfende Rhythmen, um uns leider kein wirklich musikalisches „Happy End“ zu bescheren, welches dann meistens sogar lieblos ausgeblendet wird, indem man die Regler runterdreht.
So hervorragend auch der von EROC ausgezeichnet gemasterte Sound ist, ein paar bessere Einfälle des musikalischen Regisseurs Pöngse wären deutlich hilfreicher gewesen.
FAZIT: Ein Album, das den Titel „Loopings“ trägt, lässt nicht unbedingt große, ausschweifende Musik erwarten, sondern mehr oder weniger Wiederholungen. Auf die setzt vom Grundgerüst der Musik her auch CINEMA, selbst wenn diese Wiederholungen sich nicht einseitig über das gesamte Album erstrecken und am besten in Kombination mit der Gitarre klingen. Musik zum Wohlfühlen, zwischen VANGELIS, ASHRA und TANGERINE DREAM.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.11.2014
Benjamin Peiser
Jürgen Krutzsch
Dieter Kumpakischkis (Keyboards auf "Lindbergh's Dream")
Sireena Records
46:23
14.11.2014