Ein neues Album von CREMATORY – das war in den 90er-Jahren oftmals ein persönliches Schlachtfest für Musikjournalisten, die mit ihren durch und durch negativen Kritiken der Band ein gutes Stückchen zu ihrem großen Durchbruch verhalfen. Der Gothic Metal mit wechselnden Growls und Klargesang – teilweise in Deutsch vorgetragen – und massiven Keyboardeinsatz spaltete damals die Szene. Gut 20 Jahre später sind CREAMTORY allerdings weit davon entfernt, noch ein Spaltpilz zu sein.
Ob man sich aus diesem Grunde dazu entschlossen hat, die auf dem Comebackalbum „Revolution“ bereits vorhandene und danach weitgehend wieder eingemottete elektronische Schlagseite nochmals stärker zu betonen? EBM nennt das der Kenner (also nicht der Verfasser dieser Zeilen, der nennt das lieber kalt-industrielle Samples und monotone, tanzflächenkompatible Beats), und diese Spuren findet man in vielen Songs auf „Antiserum“. Das klappt manchmal gut, manchmal weniger, wie überhaupt auf dem Album Licht und Schatten sich abwechseln. Die erste Singleauskopplung „Shadowmaker“ ist einer der hellen Momente des Albums, könnte sich zum Clubhit mausern. Auch das melodische „Inside Your Eyes“ macht sich mit seinen massiven elektronischen Sounds richtig gut. Fans der frühen Tage werden sich eher an traditionellen CREAMTORY-Klängen wie dem Titeltrack laben, der weitgehend frei von modernen Klängen deutliche Reminiszenzen an die 90er-Jahre sendet.
Es gibt aber auch die Momente, in denen das Niveau bedenklich tief in Richtung Tanzflächenoberfläche sinkt – „Kommt näher“ ist da als „herausragendes“ Beispiel zu nennen, das die niemals gestellte Frage „wie würden eigentlich SCOOTER klingen, wenn RAMMSTEIN zu Besuch in den Proberaum kämen?“ beantwortet.
FAZIT: Nein, die Zeiten, in denen CREMATORY extrem polarisierten, sind vorbei. Natürlich sind die Growls von Sänger Felix auch im Jahre 2014 nicht unbedingt die Messlatte für die Konkurrenz, natürlich sind manche Keyboardpassagen und Melodien schon sehr aufdringlich, natürlich werden die modernen Einflüsse nicht jedermann schmecken – doch unter dem Strich ist „Antiserum“ ein durchaus gefälliges Album, das harten Gothic Metal mit ebenso harten Tanzflächenbeat und –keyboards vereint. Und das unter dem Strich doch mehr Licht als Schatten aufweist.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.02.2014
Harald Heine
Felix Stass
Matthias Hechler
Katrin Jüllich
Markus Jüllich
Steamhammer/SPV
42:48
21.02.2014